„Emmaus geschieht mitten in der Krise“

Weihe von Hans Jörg Hofer zum neuen Weihbischof von Salzburg im Dom zu Salzburg Foto: Franz Neumayr 9.7.2017 Im Bild Weihbischof Hans Jörg Hofer
SALZBURG (eds-13.04.2020) / Am heutigen Ostermontag feierte Weihbischof Hansjörg Hofer im Salzburger Dom den Gottesdienst, der auch via Livestream auf <link http: www.salzburger-dom.at>www.salzburger-dom.at übertragen wurde. In seiner Predigt zog der Weihbischof Parallelen zwischen der gegenwärtigen Coronakrise mit den „Brüchen“, die die Emmausjünger im heutigen Evangelium durchlebten. Die Predigt im Wortlaut:
Liebe Schwestern und Brüder!
Ostern ist heuer anders! „Solche Ostern habe ich noch nie erlebt“, höre ich immer wieder. Ja, es stimmt: das Corona-Virus hat vieles lahmgelegt. Die Konsequenzen spüren wir ganz massiv auch in der Kirche. Vor einem leeren Dom zu predigen, ist schon eine Herausforderung. Umso mehr denke ich jetzt an Sie alle, die Sie über Livestream diesen Gottesdienst mitfeiern.
Es ist an und für sich schon nicht leicht, dem Ostergeheimnis auf die Spur zu kommen – denn dass ein Toter lebt, ist ja nicht unsere Alltagserfahrung –, umso schwieriger ist dies auf dem Hintergrund unserer momentanen Krise.
Das sog. Emmausevangelium bietet uns dabei eine Hilfe an. Dieser spannende, aufregende und zugleich einfühlsame Bericht über die Begegnung der beiden Jünger mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus gilt wohl zu Recht als das schönste Osterevangelium.
Der dramatische Verlauf, die Fragen und Zwiegespräche wollen unser Interesse wecken und uns in die Handlung einbeziehen. Ich meine, wir können uns sehr wohl mit diesen müden Jüngern, die den Kopf hängen lassen, identifizieren oder? Was sie umtreibt und beschäftigt ist ja zutiefst menschlich.
Da ist die Rede von Blindheit, von Mangel an Erkenntnis, von Ratlosigkeit, Mitteilungsbedürfnis, von Angst, Hoffnung und Enttäuschung, von Trauer, Zweifel, Nicht-glauben-Können, Vertrauensverlust, Orientierungslosigkeit usw. Ob es das alles nicht auch in unserem Leben und speziell jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie gibt? Ich meine schon!
Die Emmausgeschichte sagt uns dazu: Auch dort, wo ich keinen bzw. noch keinen Durchblick habe, darf ich hoffen! Darf ich hoffen, dass da Einer ist, der den Durchblick hat und der meine Fragen und Dunkelheiten kennt und sie auch überwinden kann.
Pläne mögen scheitern, Beziehungen gestört sein, Lebensträume zerplatzen bis hin zu einem völligen Zusammenbruch und einer tiefen inneren Leere. Doch die Emmausgeschichte sagt uns: Das ist nicht das Ende. Es geht weiter!
Emmaus, so könnte man sagen, ist eine Geschichte der Brüche! Da geht es um Zusammenbruch, Umbruch, Durchbruch und Aufbruch.
Die Hoffnungen der beiden Jünger – aber auch aller anderen – sind total zusammengebrochen. Das Haus ihres Lebens, das sie auf Jesus, ihren Meister, gebaut haben, ist durch seinen Tod am Kreuz völlig eingebrochen. Ratlos und resigniert gehen sie weg von Jerusalem, dem Ort der Hoffnung, zurück in ihren früheren Alltag. Alles war umsonst. Sie stehen vor dem Scherbenhaufen ihrer Existenz. Und es gibt scheinbar kein Zurück mehr!
Doch die Begegnung mit dem Auferstandenen führt sie hinein in einen großen Umbruch, in den größten Umbruch ihres Lebens. „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ Dieser einfühlsame Begleiter führt sie überaus sensibel Schritt für Schritt zu einer neuen Erkenntnis, eben zu einem völligen Umbruch, zu einem Umdenken – heraus aus ihrer bisherigen Enge und Dunkelheit hin zu einer neuen Hoffnung und Lebensfreude.
Aber es bleibt nicht bei diesem Umbruch. Als die beiden den Herrn bitten: „Bleib doch bei uns, denn es will Abend werden“ und ER mit ihnen das Brot bricht, da gehen ihnen die Augen auf und sie erkennen ihn! Das war der Durchbruch! Und sie bekannten: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redetete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“
Und dieser Durchbruch führte sie hin zu einem freudigen Aufbruch! Was sie da erlebt haben, können sie unmöglich für sich behalten. Sie müssen es weitersagen! Und so brechen sie auf und zwar ausgerechnet zurück an den Ort der Katastrophe. Dort finden sie ihre Freunde versammelt. Diese sagen: „Der Herr ist wirklich auferstanden und dem Simon erschienen!“ Da erzählten auch sie, was sie erlebt und wie sie ihn erkannten, als er mit ihnen das Brot brach!
Ob es ähnliche Brüche nicht auch in unserem Leben und Denken gibt, ganz konkret auch bei alldem, was wir in diesen Tagen und Wochen erleben?
Ist nicht durch das Corona-Virus auch das Haus unserer sog. zivilisierten Welt zusammengebrochen durch den vermeintlichen Zwang des immer Größer, Schneller, Höher und Weiter? Ist der Wahn und Irrglaube, dass uns alles möglich sei, nicht radikal in Brüche gegangen?
Doch mitten in diesem Zusammenbruch wurden Stimmen laut, die bisher viel zu wenig gehört bzw. nicht ernst genommen wurden. Diese Stimmen haben lange schon gemahnt, dass noch keine Bäume in den Himmel gewachsen sind. Und plötzlich kam es zu einem Umbruch, d.h. zu einem Umdenken.
Aber nicht genug damit: hellhörige Köpfe stellten dann immer häufiger die Frage, ob denn die Corona-Pandemie nicht auch etwas mit Gott zu tun haben könnte? Und das war der Durchbruch! Der Durchbruch zu einer neuen Sicht auf die Welt und unser Leben. „Da gingen ihnen – nein, uns – die Augen auf!“
Ob dieser Durchbruch zu einem neuen Aufbruch führt, hängt von uns ab! Wenn die große Welle der Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft, das sich Besinnen auf das wirklich Notwendige, Tragfähige und Wichtige in unserem Leben und auch die Rückbesinnung auf Gott nach dem Ende der Pandemie weitergehen, dann besteht tatsächlich Hoffnung auf einen neuen Aufbruch!
Die Emmausgeschichte ist also noch nicht zu Ende! Und wieso nicht? Ich sage es ganz kurz: Weil unsere Welt immer noch die Schöpfung Gottes ist! Weil
Ostern nicht passe, sondern höchst aktuell ist! Weil der Auferstandene nach wie vor mit uns unterwegs ist. - Unsere Berufung als Christ/innen ist es, als österliche Menschen zu leben! Weil Jesus auferstanden ist und lebt, deswegen dürfen auch wir leben!
Emmaus ist überall dort, wo etwas Neues aufbricht und unser Leben zum Guten verändert; wo durch Zusammenbrüche und Umbrüche, neue Durchbrüche und Aufbrüche ermöglicht werden. Emmaus geschieht also auch mitten in der Corona-Krise! Gott sei Dank! Amen.