Disputationes erläutern "religionssensiblen Atheismus"

SALZBURG (eds/kap - 24. 7. 2017) / Bei der Festspiele-Auftaktveranstaltung „Salzburger Disputationes“ am 22. 7. zeichnete der Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff das erstaunliche Phänomen eines immer stärker in Mode kommenden „religionssensiblen Atheismus“ nach. Hoff war der dritte Vortragende nach dem evangelischen Bischof Michael Bünker und dem Mathematikprofessor Rudolf Taschner. Generalthema der diesjährigen Disputationes ist „Transfiguration“; es geht um die Veränderungen, die Religion, Glaube und Spiritualität in der Gegenwart durchleben.
Das Thema „Transfiguration“ müsse einen Theologen faszinieren, sagte Hoff. Es stelle auf die „religiöse Dynamik von Verwandlungen“ ab, die „uns auch gesellschaftlich in einem erheblichen Maß“ betreffen. Die Säkularisierung verlange inzwischen differenziertere Auffassungen: „Die religiösen Sphären werden vielfältig besetzt.“ Das wirkt laut Hoff oft provozierend.
Als Beispiel führte er das Motto der Salzburger Festspiele 2008 an, das lautete „Stärker als die Liebe ist der Tod“. Es sei dabei auch um Provokation, Verstörung und „gehaltvolle Umstellung des biblischen Originals“ gegangen. „Spiritualität ohne Gott“ tritt Hoff zufolge in verschiedenen Gestalten auf. Der Atheist André Comte-Sponville vertrete einen Atheismus, der sogar „mit einer Wertschätzung religiöser Traditionen einhergeht“.
Hoff erwähnte weiters den Wissenssoziologen Bruno Latour und den Schriftsteller und Fernsehproduzenten Alain de Botton. Letzterer schaffe „Transfigurationen religiöser Codes, indem er sie säkular neu aufsetzt“, was zu „phantasievollen Rezepten in einem atheistischen Religionsmix“ führe.
Der Fundamentaltheologe hielt fest, dass sich die Trennlinien zwischen „profan“ und „sakral“ verschöben, was auf die „Fassbarkeit religiöser Gedanken und Lebenswelten“ zurückwirke. „Die Gottesfrage kommt jedenfalls nicht ohne ihren spirituellen Nennwert aus“, sagt er. Ob die Kirchen dafür heute noch die entsprechenden Räume stellen, hinterfragte Hoff. „Von Transfigurationen kann nicht verschont bleiben, wer im Zeichen von Verwandlung von Gott spricht. Das mag nicht immer verklärend wirken, abklärend und insofern aufklärend allerdings schon."
Sorge um das Fehlen Gottes in der Literatur
Sorge um das Fehlen Gottes in der Gegenwartsliteratur hat der Theologe Karl-Josef Kuschel bei den Disputationes geäußert. Hinsichtlich der Rede von Gott, des Sinns des Lebens oder auch einer sozialen Revolution scheine „alles gesagt, verbraucht und damit erledigt“, diagnostizierte der Tübinger Wissenschaftler am 23. 7. Bedenklich sei das zeitgenössische Lebensgefühl der „Gottesvergleichgültigung“ vor allem deshalb, da das Reden von Gott „gerade die nötige Infragestellung der modernen Machtverhältnisse“ wäre, so der emeritierte Professor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs.
Der „Tod Gottes“, von dem Friedrich Nietzsche gesprochen habe, oder die von Martin Buber ins Spiel gebrachte „Gottesverdunkelung“ seien „die nicht mehr hinterfragte Voraussetzung von Politik, Kunst und Wissenschaft“, befand Kuschel. Eine sich nur noch an naturwissenschaftliche Beweisbarkeit klammernde Lebenseinstellung sei jedoch die „krankmachende Reduktion der europäischen Aufklärungstradition“.
Annäherung an die religiöse Kunst
Für eine zeitgenössische Annäherung an die religiöse Kunst sowie für mehr Austausch zwischen der modernen und der alten Kunst sprach sich bei den „Disputationes“ Johannes Rauchenberger vom Grazer Kulturzentrum der Minoriten aus. Eine „Kontrasterfahrung“ könne somit hergestellt werden. Der Kunstexperte verwehrte sich gegen den auf vielen Universitäten verbreiteten „Fehler“, christliche Kunst auf das Mittelalter zu reduzieren. Mit seinem Versuch, dieser Einstellung ein Fach „Bildtheologie“ entgegenzusetzen, sei er jedoch bislang gescheitert, sagte er.
Foto: Der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff referierte bei den „Disputationes“. Foto: EDS