Den Tagen mehr Leben geben

RB: Was kann Palliative Care und für wen ist diese Betreuung gedacht?
Doris Einödter: Im Mittelpunkt stehen die PatientInnen. Es geht um ihre Lebensqualität trotz fortschreitender, unheilbarer Erkrankung. Wir reden nicht dauernd übers Sterben, aber Ehrlichkeit ist sehr wichtig. Wenn jemand trotz einer entsprechenden Diagnose klar an seinem Ziel, einer Heilung, festhält, ist eine Begleitung schwierig. Wir wollen den Menschen auch nicht die Hoffnung nehmen, das ist eine Gratwanderung. Ich war vor kurzem bei einem Herrn im Krankenhaus. Er braucht eine umfangreiche Schmerzmittelbehandlung, die wir betreuen, wenn er wieder zuhause ist. Er liegt da also im Spitalsbett und spricht von seinem Tunesienurlaub, den er im Herbst antreten will. Ich hab dann nicht gesagt: Das geht sicher nicht. Wie stellen Sie sich das vor. Meine Antwort war: Jetzt schauen wir einmal wie es daheim läuft.
RB: Welche Unterstützung brauchen Betroffene und Angehörige?
Einödter: Hauptaufgabe im Pflegerischen ist die palliative Symptomkontrolle. Das heißt, das Lindern von Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit usw. Wir schauen welche Medikamente nehmen die PatientInnen ein, wie geht es ihnen damit, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Das passiert natürlich in Abstimmung mit dem Hausarzt. Das andere ist das Thema Beziehungspflege. Wir arbeiten bei unseren Besuchen keinen Fragenkatalog ab, sondern nehmen uns Zeit für Gespräche. Ich bin schon öfters in Sterbesituationen gekommen. Ich bleibe dann solange wie es nötig ist. Wir sind außerdem Montag bis Sonntag in Rufbereitschaft. Angehörige wissen: „Wir müssen da nicht alleine durch, jemand ist erreichbar, wenn es schlechter wird.“ Immer wieder bestätigen uns Angehörige wie entlastend das für sie ist.
RB: Palliative Care soll für jeden Betroffenen erreichbar sein. Die Caritas ist in ganz Salzburg aktiv. Ist damit der Bedarf gedeckt?
Einödter: Leider nicht. Es sind zwar flächendeckend Palliativ- und Hospizteams im Einsatz, aber von bedarfsdeckend kann keine Rede sein. Wartelisten sind normal. Alleine in meinem Gebiet (Stadt Salzburg, Flachgau, Tennengau) konnten wir im vergangenen Jahr 99 Leute nicht aufnehmen, weil wir es personalmäßig einfach nicht geschafft hätten. Vor allem die ärztliche Kompetenz geht uns ab. Es ist sehr schwierig ÄrztInnen zu finden, die langfristig im Team mitarbeiten. Ich hatte vor einigen Tagen einen Anruf: Eine Frau liegt im Sterben, die Familie wollte sie noch nach Hause holen. Dafür bräuchte es eine begleitende Schmerztherapie. Wir konnten das nicht übernehmen, weil uns die Kapazitäten fehlen. Fairerweise muss ich sagen, es tut sich etwas auf parlamentarischer Ebene. Österreichweit soll es eine Regelfinanzierung geben. Es geht halt nur sehr langsam voran.
RB: Palliativbetreuung und Hospizbegleitung gehen Hand in Hand. Welche Rolle spielen hier Ehrenamtliche?
Einödter: Die HospizbegleiterInnen sind sehr wichtig und alle in Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung ausgebildet. Sie sind da, damit Angehörige mal eine Stunde weggehen können oder übernehmen eine Nachtwache. Angehörige haben noch häufig den Anspruch, alles selber schaffen zu müssen. Ich ermutige sie, diese Hilfe anzunehmen.
RB: In der Palliativ- und Hospizarbeit ist der Tod immer präsent. Wie gehen Sie damit um?
Einödter: Zum einen sind wir diplomierte Pflegekräfte und haben zumindest den Basiskurs Palliative Care. Wir wissen also, was auf uns zukommt. Zum anderen lässt mich die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit die eigene Lebensqualität deutlich spüren. Das macht dankbar und demütig.
Hintergrund
Palliativ ausgebildete Pflegefachkräfte und ÄrztInnen sorgen für ein möglichst beschwerdefreies Leben trotz und mit weit fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen. Ehrenamtlich tätige HospizbegleiterInnen entlasten durch ihr Dasein und mit Gesprächen. Die mobilen Palliativ- und Hospizteams der Caritas sind im ganzen Bundesland Salzburg im Einsatz. Für PatientInnen und Angehörige entstehen keine Kosten. Finanziert wird die Palliativbetreuung und Hospizbegleitung aus Mitteln des Landes Salzburg, der Sozialversicherungsträger sowie aus Spendengeldern.
Tipp: Dem aktuellen Rupertusblatt liegt ein Spendenzahlschein der Caritas bei.
Bild (Caritas): Ziel der Palliative Care (Palliativbetreuung) ist es den schwer und unheilbar kranken Menschen ein gutes, möglichst beschwerdefreies Leben zu ermöglichen.