Das Wächteramt ernst nehmen

RB: Sie haben dem Papst Ihren Rücktritt angeboten. Gibt es schon eine Antwort?
Laun: Ich habe Papst Franziskus in meinem Schreiben nicht zuletzt über meine gesundheitliche Situation informiert und um Entpflichtung gebeten. Eine Entscheidung habe ich noch nicht.
RB: Beim Blick zurück auf 75 Lebensjahre gibt es sicherlich vieles, über das sie froh und dankbar sind. Nennen Sie uns Beispiele.
Laun: Froh und dankbar hat mich immer die Begegnung mit den vielen Menschen gemacht, die mein Wort gerne gehört, meine Publikationen mit Zustimmung gelesen und mir auch sonst signalisiert haben, dass sie verstehen und meine Freunde sind, und – über das Persönliche hinaus – dass sie mich auch als Bischof und Zeugen des gemeinsamen Glaubens angenommen haben.
RB: In jedem Leben gibt es auch schwere Momente; möchten Sie uns auch daran teilhaben lassen?
Laun: Naja, manche Leute haben mich beschimpft, wenn ich heikle Positionen der Kirche verteidigt habe. Wirklich traurig bin ich über jene Niederlagen, die mir Leute der eigenen Kirche zugefügt haben.
RB: Wo haben sich da Bruchlinien gezeigt?
Laun: Darüber möchte ich nicht im Einzelnen reden. Nur ein besonders bedrückendes Beispiel nenne ich: Sogar mit meiner Kritik an der Fristenlösung bin ich auf Widerspruch gestoßen, auch bei Leuten, die seinerzeit das Volksbegehren gegen dieses Gesetz unterschrieben haben. Kurz gesagt: Wenn ich als Bischof das Wächteramt ernst nahm, wurde ich nicht selten diffamiert und bekämpft.
RB: Was verstehen Sie unter „Wächteramt“?
Laun: Wächteramt heißt, dass die Bischöfe darauf achten sollen, was Katholiken, Theologen, Religionslehrer als die Lehre der Kirche vertreten; und gegebenenfalls sollten sie auch korrigierend eingreifen: liebevoll, argumentativ, aber auch mit Mut und Festigkeit.
RB: Wie erklären Sie sich, dass der Priesternachwuchs in den Diözesen immer weniger wird, während im Stift Heiligenkreuz, wo Sie – auch als Weihbischof – an der Ordenshochschule gelehrt haben, zahlreiche Pries-ter- und Ordensberufungen hervorgehen?
Laun: Da zitiere ich am besten den früheren Abt Gregor Henckel-Donnersmarck, der auf eine ähnlich gestellte Frage gesagt hat: Weil wir unsere Ordensregel einhalten, unser Ordensgewand tragen und der Kirche gehorchen.
Ich glaube, wir müssen den jungen Leuten ein klares, katholisches Profil anbieten, dann würden auch wieder mehr von ihnen bereit sein, in die Nachfolge Jesu einzutreten. Sie müssten eingeführt werden von Priestern, die selbst die Lehre der Kirche glauben, sie intelligent und mutig vertreten und selber nach den Vorgaben der Kirche leben.
RB: Sie gelten als ein Mann des offenen Wortes, der sich nie scheute Dinge beim Namen zu nennen, auch auf die Gefahr hin dafür heftig kritisiert zu werden. Wir erleben in den letzten Jahren vermehrt auch unter Bischöfen Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zu moraltheologischen Fragen, die auch öffentlich ausgetragen werden und die es vielen Gläubigen oft schwer machten, Orientierung zu finden.
Laun: Die Fragen, über die gestritten wird, kommen oft aus der Gesellschaft. Und da ist es, so glaube ich, notwendig, dass Theologen und Bischöfe besser argumentierende Antworten geben, wie das vor allem der hl. Papst Johannes Paul und sein Nachfolger Benedikt gemacht haben. Allerdings: Mit Argumenten allein werden wir die Menschen nicht zu Gott führen können. Noch wichtiger sind die Zeugen wie die hl. Mutter Teresa oder Männer wie die Kardinäle Thuan aus Vietnam oder Sarah aus Guinea mit seinem prophetischen Wort: „Gott oder nichts“. Das entspricht auch dem, was Papst Benedikt in seinem Jesusbuch (Bd 2) geschrieben hat: Was hat Jesus gebracht? Nicht den ewigen Frieden, nicht die Heilung aller Kranken, nicht die Überwindung aller Hungersnöte oder Verhinderung von Erdbeben und anderer Naturkatastrophen, sondern Er hat Gott gebracht. Darum ist es auch die Aufgabe der Bischöfe und aller Mitarbeiter, nicht primär über das Klima und andere Mode-Themen zu reden, sondern über Gott, Seine Liebe zu uns, unsere Liebe zu Ihm, in Seiner Kirche und durch Seine Kirche.
RB: Danke für das Gespräch.
Karl Roithinger
Bildtext: Weihbischof Andreas Laun hat Papst Franziskus entsprechend dem Kirchenrecht seinen Rücktritt angeboten. Eine Entscheidung steht noch aus. Foto: privat