Ein „CSI Golgotha“ ist für den Autoren und Historiker Michael Hesemann die knifflige Spurensuche um das wohl am umfassendsten beforschte archäologische Artefakt der Welt. Mit Sicherheit kann man nicht sagen, wer der Mann auf dem Turiner Grabtuch ist. Für Hesemann deuten aber alle Hinweise, die in den vergangenen 50 Jahren gesammelt wurden, darauf hin, dass es Jesus Christus ist.
Sandra Bernhofer
Salzburg. Der Mann, der in das berühmte Turiner Grabtuch eingewickelt war, war 1,80 Meter groß, wog 76 Kilo, trug einen Vollbart. Und wenn es nach Michael Hesemann geht, stehen die Chancen gut, dass es sich bei ihm um Jesus von Nazareth handelte. Hesemann steuerte die wissenschaftlichen Fakten zur Ausstellung „Wer ist der Mann auf dem Tuch? Eine Spurensuche“ bei, die bis 20. Februar im Bischofshaus am Kapitelplatz zu sehen ist.
Frühe Zweifel an der Echtheit
Die Authentizität des Grabtuches wurde bereits früh in Frage gestellt. Der amtierende Bischof von Troyes, Pierre d’Arcis, berichtete im Jahr 1389 in einem Beschwerdebrief an den Gegenpapst Clemens VII. von einem Skandal, den er in der Kirche in Lirey entdeckt habe. Dort habe man „nur aus Gewinnabsicht für die dortige Kirche ein listig gemaltes bestimmtes Tuch angeschafft, auf dem mit kleverer Fingerfertigkeit das zweifache Bild eines Mannes dargestellt ist (...), von dem sie fälschlich behaupten und vortäuschen, dass dies das wirkliche Grabtuch sei, in welches unser Heiland, Jesus Christus, in der Grabesgruft eingewickelt war.“ Auch Radiokarbontests, die 1988 durchgeführt wurden, ergaben, dass das Tuch aus dem Mittelalter stammen solle. Spätere Infrarottests zeigten dagegen zu 95 Prozent, dass das Tuch bis in die Antike zurückdatiere.
Laut Hesemann sei das tatsächliche Alter des Gewebes durch den hohen Grad der Kontamination unmöglich festzustellen: „Über die Jahrhunderte haben unzählige Menschen das Tuch verehrt, geküsst, verunreinigt.“ Für den Historiker steht fest, dass das Turiner Grabtuch aus der Zeit Christi stammen muss: Die Augen des Toten bedeckte eine Münze, von der heute nur mehr drei Stück erhalten sind – eine Fehlprägung aus dem Jahre 29 n. Chr. Außerdem wurden auf dem Tuch Pollen von Blüten entdeckt, die nur in einem kleinen Abschnitt im Nahen Osten im März und April blühen, Staubspuren tragen dieselbe Signatur, die man auch in den Gräbern Jerusalems findet. Die Blutgruppe – AB, in Israel doppelt so häufig vertreten wie in Europa – deute darauf hin, dass der Tote Jude war. „Kein Fälscher aus dem Mittelalter hätte so gut sein können“, ist Hesemann überzeugt.
„Wir können das Tuch heute verstehen“
„Das Turiner Grabtuch ist wie eine Zeitkapsel. Es spricht auf einmal zu uns. Wir können es heute nicht nur verehren, sondern auch verstehen.“ Das erkläre auch seine zunehmende Faszination. Die Ausstellung enthülle Spuren, die die Menschen früher gar nicht finden konnten, betont Hesemann.
Ausgestellt sind im Bischofshaus neben einer Nachbildung des Grabtuchs weitere Repliken nach historischen Vorbildern, die mit der Kreuzigung Jesu zu tun haben. Etwa ein 16 Zentimeter langer Nagel, mit dem die Römer zu Beginn unserer Zeitrechnung Menschen ans Kreuz hängten, oder die Dornenkrone: Diese war – abweichend von der christlichen Ikonografie, mit den Ergebnissen moderner archäologischer Forschung jedoch übereinstimmend – offenbar weniger ein Kranz als eine Haube, die den gesamten oberen Schädel umschloss.