Chrisam-Messe
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, in unserer Mitte sehr geehrter Herr Erzbischof, Weihbischof und Generalvikar!
Geschätzte Mitglieder des Domkapitels, liebe Diakone, Lektorinnen, Alumnen.
Schwestern und Brüder!
Besonders grüße ich die Ministrantinnen und Ministranten, mit Euren Begleitern, aus den Pfarren wie auch hier vor Ort durch die Jungschar! Euch gilt vorweg unser herzlicher Dank. Alljährlich kommt ihr in großer Zahl in die Domkirche, um mit den Priestern, mit denen ihr sonntäglich am Altar dient, die sogenannte Chrisam-Messe zu feiern. In dieser Eucharistiefeier werden die Öle geweiht: das Öl für die Kranken; das Öl für die Katechumenen, damit werden alle Taufbewerber gesalbt, und schließlich die Weihe des Chrisams. Mit Chrisam geschieht die Salbung des Geistes; so bei Weihehandlungen, wie auch bei der Firmung. Darum heißt diese Messe auch „Chrisam-Messe“ und diese feiert der Bischof mit dem ganzen Presbyterium – also allen Priestern. Ich empfinde es als eine schöne Fügung – ich weiß nicht, wer das eingeführt hat -, dass ihr, liebe Ministrierende, Euren Priestern, denen ihr sonntäglich assistiert, zur Seite steht, wenn diese das Treueversprechen erneuern. Weil dieser Tag ein ganz besonderer für uns Priester ist, bitte ich euch zu verstehen, wenn die Predigt ganz auf die Priester zugeschnitten ist.
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst! Auch Euch möchte ich vorweg ein herzliches Vergelt‘s Gott sagen für jegliches Bemühen im seelsorglich-sakramentalen Dienst, sei es in Momenten von Freude und Begeisterung oder – was wohl eher der Normalfall sein wird – in der treuen Verrichtung unserer von Gott für die Menschen gegebenen Aufgabe. Besonders wollen wir heute der alten Priester gedenken, jener, die selbst im vorgerückten Alter ihren Dienst immer noch treu und hingebungsvoll versehen; denken wir aber auch in Dankbarkeit an die kranken und körperlich schon sehr eingeschränkten Mitbrüder. Wir fühlen uns besonders am Altar mit ihnen verbunden und vergessen sie nicht im Gebet.
„Priestersein ist ein schöner Dienst“, sagte mir der Rektor, als ich im Spätberufenenseminar „Canisiusheim“ angekommen war, „aber ein schwerer“. Ich lade zur gemeinsamen Betrachtung der gehörten Lesungen, die uns der Tisch des Wortes heute bereitet hat.
Vorweg eine Situationsanalyse: Wir leben generell in schwierigen Zeiten. Die Welt blutet aus vielen Wunden. Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Unzufriedenheit greifen um sich. Von der Kirche ist man zunehmend enttäuscht. Wir sind, müssen wir ehrlich zugeben, zu sehr mit uns selber beschäftigt.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ich habe vorigen Samstag die Firmlinge aus dem Flachgau getroffen. Ich stellte mich ihren Fragen, die sie gemeinsam vorbereitet hatten. Ja, da kam alles vor, von LGBTQ+ bis zur Frage, wie viel ich verdiene, und warum ich so grau-schwarz gekleidet sei. Ich staune immer wieder über die Ehrlichkeit junger Menschen. Gegen Ende unserer Gespräche meinte ich auch eine Frage stellen zu dürfen, nämlich: „Sagt mir, liebe junge Leute, wie geht es euch wirklich?Ich höre die Pandemie habe euch schwer zugesetzt.“ Das bejahten sie mit heftigem Kopfnicken sofort. Das große Problem war, Freunde nicht treffen zu können. Handykontakte seien kein Ersatz. Das berührte mich. So erzählte ich, wie mir anlässlich einer PGR-Sitzung eine Mutter sagte, ihre Tochter lasse fragen, was die Kirche für junge Menschen tue? Die Frage bewegt mich seitdem, nun schien die Gelegenheit die Jugendlichen zu fragen: „Was erwartet ihr von der Kirche?“ Die Antworten waren höchst erstaunlich: Einen Ort der Stille, Geborgenheit, wo man sich aussprechen kann, ohne dass es gleich die Runde macht; selbst der Wunsch nach Segen wurde genannt.
Liebe Mitbrüder, da werden Gottes Orte ersehnt, die dürfen wir nicht nur nach weltzeitlichem Gutdünken bespielen. Diese bedürfen auch – wenn auch nicht nur – der priesterlichen Präsenz. In der ersten Lesung haben wir vom Propheten Jesaja gehört: „Ihr werdet Priester des Herrn genannt, Diener unseres Gottes sagt man zu euch.“ Es ist interessant, dass der hebräische Urtext beim Wort Priester keine Unterscheidung macht, ob es sich um das allgemeine Priestertum oder um das levitische handelt. Der Sache nach gab es zur Zeit Jesajas die Unterscheidung sehr wohl. Offensichtlich ist die Aufgabe, Priester des HERRN, Diener unseres Gottes zu sein, grundsätzlich nicht nur Sache der Leviten, sondern auch des übrigen Volkes – jedoch in je verschiedener Zuständigkeit.
Hier müssen wir einen Blick auf unsere Situation werfen. Die Unterscheidung vom gemeinsamen und sakramentalen Priestertum hat eine lange Genese. Sie weist tief in die Geschichte des alttestamentlichen Volkes hinein. Diesen Unterschied dürfen wir nicht nivellieren. Wir dürfen andererseits auch nicht das eine gegen das andere ausspielen. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedene, jedoch miteinander kommunizierende Gefäße der einen Gnade Gottes. Wir müssen es uns eingestehen, gerade in diesem Bereich verpuffen wir unheimlich viel Glaubenssubstanz, Energie und auch Geld. All das werden wir uns allerdings in Zukunft nicht mehr leisten können.
Kehren wir zurück zu den Lesungen des heutigen Tages, zum Evangelium. Wir haben gehört, Jesus kehrt in seine Heimatstadt Nazareth zurück, wie gewohnt geht er am Sabbat in die Synagoge, man reicht ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er öffnete diese und findet die Stelle aus dem 61. Kapitel, wir haben sie gehört, und er hält sozusagen seine Primizpredigt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ Jesus bezieht das Wort, welches durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder auch partielle Erfüllung gefunden hat, nun vollends auf sich. In ihm wird das von Jesaja angekündigte Schriftwort ganz neu wirklich. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; er hat mich gesalbt.“ So versteht er seine Mission. „Er hat mich gesandt.“ Und diese Salbung des Herrn gibt Jesus weiter, vertraut sie sowohl dem gemeinsamen als auch dem sakramentalen Priestertum an.
In der zweiten Lesung wurde explizit vom Priestertum gesprochen. Jesus Christus ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, „der uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater.“ Dass Jesus, der Christus, der Gesalbte das sakramentale Priestertum grundgelegt hat, dafür führt Thomas Lane in seinem Buch über das katholische Priestertum Gründe an: Das hohepriesterliche Gebet sollten wir als eine Theologie der Weihe sehen. Jesus betet dort für die Jünger: „Heilige sie in der Wahrheit, dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.“ (Joh 17,17) Im Abendmahlsaal setzt Jesus die Eucharistie ein und gibt den Jüngern den Auftrag: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Und der auferstandene Herr verleiht ihnen auch die Macht, Sünden zu vergeben. Das ist uns Priestern im Besonderen aufgetragen. Darin sind wir nicht ersetzbar und diese Aufgabe dürfen wir nicht vernachlässigen.
Darum, liebe Mitbrüder, bleiben wir auf der Spur Jesu. Ahmen wir unseren Herrn und Meister nach und seien wir treue Zeugen. Ich weiß, der Weg ist lang und zuweilen auch sehr mühsam. Wir sind gebrechliche Menschen, bleiben oft auch aus eigener Schuld hinter den Ansprüchen zurück. Perfektion wird von uns nicht verlangt – Ehrlichkeit und Bekenntnis sehr wohl. Was wir aber nicht verlieren dürfen, benennt die Geheime Offenbarung: „Ich habe gegen dich: du hast deine erste Liebe verlassen.“
So bitte ich euch: Erneuern wir die Sehnsucht, wenn wir nun die Bereitschaft zum priesterlichen Dienst neu bekennen. Tun wir dies mit großer Dankbarkeit, wie es im zweiten Hochgebet heißt:
„Gütiger Vater … wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“
Amen!