Ansprache an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I.
Eure Allheiligkeit, Eminenzen, Exzellenzen, Vertreterinnen und Vertreter der akademischen Welt, liebe Schwestern und Brüder,
nach Ihren Worten und nachdem wir eben auch die Göttliche Liturgie mitfeiern konnten, möchte ich fast mit Jeremia sagen: „Ach, ich bin ja noch so jung!“ (Jer 1,6). Jung nicht an Jahren, ich bin auch schon näher an siebzig als an sechzig. Aber ich bin, was man einen Spätberufenen nennt. Ich war UNO-Soldat auf Zypern und hatte dort meine erste Begegnung mit der orthodoxen Kirche, ich meine, es war in Salamis. Ich bin dort eher zufällig und neugierig – ich war damals noch nicht so religiös disponiert – in eine Kirche gegangen und erinnere mich noch an den freundlichen Empfang an der Türe, und an die schöne Liturgie, die wir auch heute wieder gefeiert haben. Man hat bei dieser Liturgie den Eindruck, der Himmel stehe offen.
Gestern sind wir über die Brücke von Europa nach Asien gefahren, wir waren nach Chalki unterwegs. Wir haben dort die leider derzeit geschlossene Hochschule besucht – auch das war ein berührendes Erlebnis, nach dem Lärm der Stadt auf den „Hügel der Hoffnung“ zu kommen. Wie der Berg Tabor ist es uns dort vorgekommen. Auch dort hatten wir den Eindruck: Hier steht der Himmel offen. Hier ist ein heiliger „Rest“ bewahrt worden, der nicht durch die vielen schweren Mühsale, die die orthodoxe Christenheit hier zu ertragen hat, verdunkelt wurde.
Es sei mir erlaubt, diese Brücke als eine Analogie zu verwenden: Eure Allheiligkeit, ich glaube, Sie sind für die Christenheit eine Brücke. Eine Brücke der Einheit unter den Konfessionen. Sie haben es vorhin schön gesagt: Es geht nicht darum, Uniformität und Gleichschaltung herzustellen – Einheit verträgt auch Verschiedenheit. Wir haben viel mehr gemeinsam, als uns trennt. Da sind Sie ein großer – ich darf es sagen – Pontifex, ein Brückenbauer. Dafür möchten wir Ihnen sehr danken.
Ein zweiter Dank, den ich Ihnen sagen möchte und der uns zu dieser Stunde sehr berührt, ist Ihr Einsatz für den Frieden. In Europa herrscht wieder Krieg, das beunruhigt viele Menschen, das bringt Früchte hervor, die wir meinten, nicht mehr ernten zu müssen: Misstrauen und Vorbehalte. Sie haben Ihre Stimme immer wieder erhoben für den Frieden, vor allem auch dafür, dass Kirchen sich nicht in irgendeiner Weise am Krieg beteiligen dürfen, dass sie ihn nicht unterstützen dürfen und klar dagegen auftreten sollen. Gemeinsam für den Frieden einzutreten, das ist wohl der kostbarste Einsatz, den wir derzeit in dieser Welt und vor allem in Europa leisten können. Dieser Krieg schadet der Christenheit und allen Menschen. Danke für den Mut, den Sie immer wieder zeigen.
Wir haben gestern auf Chalki gesagt, dass wir nicht nach Österreich zurückkehren wollen, ohne uns vorzunehmen, jeder an seinem Ort und auf seine Weise, für diesen Frieden zu beten. Dazu bitte ich Sie um Ihren Segen, auf dass dieses im Sinne unseres gemeinsamen Herrn Jesus Christus, des Friedensfürsten, gelingen möge.
Ihr Besuch in Salzburg bleibt unvergessen, und wir hoffen, Sie wieder begrüßen zu dürfen. Danke und vergelt’s Gott!