„Als Kirche Farbe bekennen"

SALZBURG (eds-4.10.2017) / „Armut ist kein Schicksal. Armut ist gemacht. Jemand trägt die Verantwortung dafür.“ Das betonte Bischof Erwin Kräutler bei der mittlerweile vierten Vergabe des Erwin-Kräutler-Preises für kontextuelle Theologie und interreligiösen Dialog Dienstagabend in Salzburg. Die diesjährigen Preisträger Sebastian Pittl (IWM St. Georgen) und Stefan Silber (Universität Osnabrück) beschäftigten sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten mit der Aktualität der Befreiungstheologie.
„Armut ist gemacht!“
Bei der Begegnung mit Menschen „denen das Elend ins Gesicht geschrieben ist“, habe ihn immer wieder die Frage umgetrieben, wie er dieser Not als Theologe begegnen solle, so Erwin Kräutler in seiner Rede im Rahmen des Festaktes. Armut, so Kräutler, sei kein Schicksal: „Armut ist gemacht. Da trägt jemand Verantwortung dafür.“ Die Befreiungstheologie beschrieb er als Antwort auf ungerechte Situationen. „Da müssen wir als Kirche Farbe bekennen, auch wenn es nicht immer einfach ist.“ Kräutler erinnerte in diesem Zusammenhang an das Konzilsschreiben „Gaudium et Spes“, in dem es heißt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
Befreiungstheologie und die Gegenwart
In diesem Jahr ging der Erwin-Kräutler-Preis an die beiden Theologen Sebastian Pittl und Stefan Silber. Die Jury würdigte die beiden Ausgezeichneten: „Sebastian Pittl hat durch seine systematisch-theologische Dissertation das Denken eines der markantesten und intellektuell profiliertesten Denker der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, des 1989 von rechtsgerichteten Todesschwadronen ermordeten Philosophen Ignacio Ellacuría SJ, profund analysiert und auf seine gegenwärtige Relevanz hin durchleuchtet.“
Stefan Silber habe durch seine Habilitationsarbeit „Pluralität, Fragmente, Zeichen der Zeit. Aktuelle fundamentaltheologische Herausforderungen aus der Perspektive der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung“ einen breiten Überblick über die (Weiter-)Entwicklung der Befreiungstheologie gegeben und dabei wichtige Themen der Gegenwart wie zum Beispiel die Urbanisierung behandelt, heißt es von Seiten der Jury.
Die Befreiungstheologie hänge nicht vergangenen Zeiten nach, sie habe den Blick und die kritische Analyse auf die Gegenwart gerichtet“, unterstrich Professor Franz Gmainer-Pranzl, Leiter des Zentrums Theologie Interkulturell und Studium der Religion und einer der Initiatoren des Erwin-Kräutler-Preises.
Preisträger und Erwin-Kräutler-Preis
Dr. Sebastian Pittl wurde 1984 in Melk/Niederösterreich geboren. Er studierte Psychologie, Philosophie und Theologie in Wien und Madrid. 2016 promovierte er an der Universität Wien mit einer Arbeit über die Geschichtstheologie des salvadorianischen Theologen und Philosophen Ignacio Ellacuría. Seit 2015 ist Sebastian Pittl für den Forschungsbereich Interkulturelle Theologie am Institut für Weltkirche und Mission an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen (Frankfurt) verantwortlich.
PD Dr. Stefan Silber wurde 1966 in Leidersbach bei Aschaffenburg geboren. Er studierte in Würzburg und Cochabamba (Bolivien) katholische Theologie und ist als Privatdozent an der Universität Osnabrück tätig. Einer seiner theologischen Schwerpunkte sind aktuelle Entwicklungen der lateinamerikanischen Befreiungstheologie.
Seit 2011 vergibt das Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen alle zwei Jahre den „Erwin-Kräutler-Preis für kontextuelle Theologie und interreligiösen Dialog“. Ziel ist es, die Bedeutung befreiungstheologischer Zugänge zu aktuellen Herausforderungen in Gesellschaft und Kirche präsent zu halten und junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu fördern. Die Auszeichnung ist mit 3000 Euro dotiert. Der Namensgeber des Preises, der Vorarlberger Erwin Kräutler CPPS, war von 1981 bis 2015 Bischof von Altamira am Xingu im Nordosten Brasiliens. Er ist Träger des Alternativen Nobelpreises und wurde für sein beispielhaftes pastorales und soziales Wirken im Jahr 2009 mit dem Ehrendoktorat der Universität Salzburg ausgezeichnet.
Foto: Freuen sich mit den beiden Preisträgern Sebastian Pittl (3. v. r.) und Stefan Silber (2. v. r.): Heinrich Schmidinger, Rektor der Universität Salzburg, Franz Gmainer-Pranzl, Leiter des Zentrums Theologie Interkulturell und Studium der Religion an der Universität Salzburg und em. Bischof Erwin Kräutler.
Foto: eds/Ingrid Burgstaller