„Alltag ist voll mit Bildern aus der Bibel“

Salzburg. Dampfende Pasta mit Kirschtomaten, eine sich auf dem Sofa räkelnde flauschige Katze – und dazwischen ein Zitat aus dem Römerbrief: „Alle, die sich vom Geist Gottes führen lassen, sind Kinder Gottes.“
Sprüche wie dieser unterbrechen den schier nicht enden wollenden Fluss an Neuigkeiten in dem Sozialen Foto-Netzwerk Instagram. Ob Bibelwerk, Katholische Jugend Salzburg oder evangelisch.de, sie mischen Stellen aus der Heiligen Schrift unter ihre Neuigkeiten und senden so Impulse in die digitale Welt.
187.000-mal haben Leute auf dem ganzen Planeten allein auf Instagram ein Bild mit dem Stichwort „Bibel“ versehen. Das englische Wort „Bible“ bringt es auf mehr als elf Millionen Erwähnungen, das spanische „Biblia“ auf knapp drei Millionen.
Kurze Verse oft gefährlich
„Kurze Bibelzitate können gefährlich sein“, sagt der deutsche Theologe und Priester Hans-Georg Gradl bei der Pastoraltagung in St. Virgil Salzburg. Die drei Tage standen ganz im Zeichen des Jahres der Bibel, das bis Dezember 2021 dauert.
„Bedenklich wird es, wenn Aussagen beschnitten, gekürzt und damit verfremdet werden“, erklärt der Bibelwissenschafter von der Universität Trier. Der begrenzte Platz in einem Posting führe zu einer „Ein-Vers-Wahrnehmung“, die aus dem Kontext gerissen ein Eigenleben entwickeln könne.
Gradl nennt ein Beispiel: „Es gibt keinen Gott“, das steht wortwörtlich in der Bibel. Ohne den Hintergrund und die umstehenden Zeilen sei dieses Zitat fatal. Wer die Schrift bei Psalm 53 aufschlägt, stellt fest, dass vor dieser Aussage steht: „Die Toren sagen in ihrem Herzen“ – dann folgt das Zitat, das für sich allein stehend behauptet, dass es keinen Gott gebe – und darauf folgt: „Sie handeln verwerflich und schnöde; da ist keiner der Gutes tut.“ Kurzum: Nur Narren gehen davon aus, dass kein Gott existiert.
Als zweites Beispiel nennt er einen der berüchtigtsten Texte des Neuen Testamentes, nämlich den Satz aus dem 1. Korintherbrief, „Frauen sollen in der Kirche schweigen“. Diese Passage liefert Zündstoff und lässt Forscher diskutieren.
„Die Frohe Botschaft mit Neuen Medien zu verbinden braucht sensible Vorbereitung. Wie bei einer Predigt, da muss sich der Priester auch vorab viel Mühe machen“, sagt der Bibelwissenschafter aus Trier. Ihm sei klar, dass plakative Zitate in Sozialen Netzwerken Aufmerksamkeit erregen, langatmige Nebenaspekte hingegen Gähnen verursachen. Jedoch: „Wissen und Erklärungen sind notwendig, denn sonst zementieren manche Menschen Aussagen ohne den Sinn des Verses“, fasst er zusammen.
Jesus und Eva als Werbestars
Gradl betont auch, dass die Bibel im Alltag stets gegenwärtig sei und brachte als Beispiel die Werbung. Und tatsächlich: Dort haben Eva und Adam bereits für Fruchtsaft geworben, für Jogurt oder einen weltweit bekannten Energy-Drink aus Salzburg. Die Marketing-Abteilung des letztgenannten Konzerns griff auch den auf dem Wasser wandelnden Jesus oder die Figur des Priesters und den Akt der Beichte auf.
Wie man jungen Menschen einen sinnvollen Zugang zur Bibel eröffnen könnte? „Im Religionsunterricht ist es eine Möglichkeit, ihnen ein einzelnes Buch aus dem Kanon schmackhaft zu machen. Ich würde nicht mit dem schwersten Werk anfangen, sondern zum Beispiel mit dem Markus-Evangelium, und das dafür am Stück lesen lassen“, sagt der Theologe. Auch die Apostelgeschichte eigne sich gut als Einstieg. Bei dieser Lektüre könne der Leser den Weg der frühen Christen verfolgen. „Außerdem gibt es kommentierte Bibeln auf Höhe der Zeit“, sagt Gradl und bezeichnet all diese Wege als „pädagogisch sinnvoll“.
Ohne Vertrauen geht nichts
Szenenwechsel: Lucia Greiner, Leiterin des Seelsorgeamts der Erzdiözese Salzburg, stellte bei der Pastoraltagung die Frage, wie Seelsorgerinnen und Seelsorger mit den existenziellen Fragen des Lebens umgehen können. „Wie bin ich heute Frau oder Mann, woher komme ich und was ist der Sinn des Lebens? – Menschen verbinden diese Fragen immer weniger mit uns und der Kirche“, sagte sie und gab zu bedenken, dass das Wort Gottes aus der Bibel zu Lebensrelevanz verhelfe. Sein Wort sei die wichtigste Hilfe, „die wir haben und hatten“, so Greiner. Dabei halte sich die Bibel nicht an Grenzen und stehe allen Menschen gleichermaßen zu, ob als Download aus dem Internet oder in den verschiedensten Sprachen.
Sie erinnerte auch daran, dass das Christentum mehr als eine Buch-Religion, nämlich eine Beziehungs-Religion, sei. „Unsere Aufgabe ist, uns mit dem Wort Gottes auseinander zu setzen. Den Seelsorgerinnen und Seelsorgern im Raum sagte Lucia Greiner, dass es auch ihre Aufgabe sei, Räume für eine vertrauensvolle Atmosphäre zu öffnen, die zum Reden über Gott einlade. „Die Seelsorge ist ein Dienst, der das Einverständnis braucht. Wenn das Vertrauen nicht da ist, funktioniert es nicht. Das ist wie beim Haareschneiden“, erklärte sie mit einem Augenzwinkern.
380 Bibel-Interessierte
Neben Alois Schwarz, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Pastoral zuständig ist, kamen auch der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler, der Linzer Bischof Manfred Scheuer, Militärbischof Werner Freistetter, die Weihbischöfe Hansjörg Hofer (Salzburg) und Anton Leichtfried (St. Pölten), sowie der emeritierte Linzer Diözesanbischof Maximilian Aichern zur Tagung nach Salzburg. 380 Frauen und Männer waren insgesamt vor Ort; „Bibel hören, lesen und leben“ lautete das Motto.
Michaela Hessenberger