Allerheiligen
Das Heiligsein liegt in unserer Berufung geborgen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Einleitung: Zu Allerheiligen besuchen wir die Gräber unserer Lieben, die uns vorausgegangen sind und denen wir unser Leben und vor allem auch unseren Glauben verdanken. Eigentlich ist der Tag derer, die gestorben sind, der 2. November – der Tag der Armen Seelen. Wir tun dies jedoch am heutigen Tag, weil wir das Heilige in unseren Verstorbenen ehren und dessen gedenken wollen. Die Kirche hat vielfach vergessen, dass Jesus auch Laie war, der in Nazareth über Jahre eine einfache Existenz führte. Gott tauchte in ihm ein in die Alltäglichkeit des Lebens und hat dieses alltägliche Leben so auch geheiligt. Durch die Berührung mit Gott geschieht Heiligkeit – so sagte es einst die Heilige Klara. Auf diese innige Berührung kommt es an. Aus diesem Grund gibt es weitaus mehr Heilige, als sie ein Kalendarium fassen könnte. Jeder, der sich bemüht, betet, nach Gutem trachtet und auch glaubt hat Anteil an der Heiligkeit Gottes – so auch unsere Verstorbenen, unsere Lieben.
Ich war nun den ganzen Monat in Rom und habe an der Bischofssynode teilgenommen. Erstmals waren auch Laien anwesend, Frauen und Männer. Es war eine berührende, wenn auch bisweilen mühevolle, Glaubenserfahrung. Wir durften spüren, dass es ein geistlicher Prozess ist, der von der Heiligkeit Gottes berührt ist. Wir haben viel gebetet, gemeinsam geschwiegen und uns ehrlich ausgetauscht über Wirken, Freuden, aber auch Leiden der Kirche. Ich bin jeden Tag, so es mir möglich war, vor Beginn der Sitzungen in den Petersdom gegangen, habe dort die Gräber des Heiligen Petrus und der zuletzt verstorbenen Päpste besucht und habe dort gebetet.
Eines davon war das Grab des Heiligen Papstes Paul VI. Er hat nach dem II. Vatikanischen Konzil die Bischofssynoden eingeführt. Von ihm habe ich ein schönes und tiefes Wort gehört. Kardinal Simonis fragte ihn einst bei einem Besuch: „Heiliger Vater, wie geht es der Kirche?“ Und der Papst antwortete: „Der Kirche geht es gut – ich aber leide viel.“ Er hatte ja nach dem Konzil die schwierige Aufgabe, dieses umzusetzen – dies war mit vielen Schwierigkeiten und enttäuschten Erwartungen verbunden. Zudem wurde er als „Pillenpapst“ verschrien, weil er für die natürliche Empfängnisregelung eintrat. Heute zeigt sich vielfach: Er hat recht behalten.
In der Heiligen Schrift heißt es mit Blick auf unsere gläubigen Vorfahren: „Schaut auf ihr Ende und folgt ihrem Glauben nach“. Daran musste ich wiederum am Grab des Heiligen Papstes Johannes Paul II. denken, der sterbend zu den Jugendlichen, die sich am Petersplatz versammelt hatten, sagte: „Ich habe euch gesucht, nun seid ihr zu mir gekommen – ich danke euch.“ Und zum Kreis jener, die ihm am nächsten standen und sich um ihn bemühten, sagte der dahinscheidende Papst: „Ich bin heiter, seid ihr es auch.“ Schließlich sein letztes Wort: „Amen!“ Berührende Worte, Glaubensworte am Rande des Lebens. Kardinal Dziwisz, sein langjähriger Sekretär, hat mir ihre Authentizität bestätigt.
Natürlich habe ich auch das Grab von Papst Benedikt besucht. Ich hatte ja die Gnade, noch zwei Wochen vor seinem Tod die Messe mit ihm zu feiern und mit ihm zu sprechen. Benedikt hatte eine tiefe Beziehung zu Salzburg und war sehr erfreut, dass der Erzbischof von Salzburg zu ihm kommt. Von ihm heißt es, er habe das Wissen von hundert Theologen im Kopf und den Glauben eines Erstkommunikanten im Herzen getragen. Auch von ihm ist ein letztes Wort verbürgt; in der letzten Nacht, um drei Uhr morgens, sagte er auf Italienisch: „Signore, ti amo!“ – „Herr, ich liebe dich!“ Ein großartiges Bekenntnis, das sich einreiht in die Bekenntnisse des Heiligen Petrus, dessen Nachfolger er ja war. Petrus war ein großartiger Bekenner. „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“, oder: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“. Schließlich: „Herr, du weißt alles, du weißt, dass ich dich liebe!“ Das sind Petrusbekenntnisse, in sie reiht sich Papst Benedikts letztes Wort ein.
Das Grab ist ein Ort der Auferstehung, der heute vielfach in Gefahr ist, verloren zu gehen. Wenn ich heute, nach der Gräbersegnung, mich auf den Weg zum Grab meiner Eltern begebe, dann bete ich dort immer: „Liebe Eltern, ich danke euch dafür, wie ihr euer Leben im Glauben zu Ende gebracht habt. Helft mir, dass dies auch mir gelingen möge.“ Denn: Ausgemacht ist nichts, auch nicht für einen Bischof! Wir brauchen Gebet und Glauben und die Fürbitte der Heiligen, auch jene „unserer“ Heiligen, die im Glauben wirkten und starben und nun bei Gott sind. Das ist unser Glaube. Amen.