20 Jahre Forum Neues Leben
Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, lieber Herr Weihbischof,
sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter (Schöchl, ÖVP),
sehr geehrter Herr Jugendreferent (Kaltenleithner, FPÖ),
sehr geehrter Herr Gemeinderat (Lankes, SPÖ),
sehr geehrte Fr. Kummer, sehr geehrte Fr. Präsidentin (Mayer, KA)
sehr geehrte Damen und Herren,
zwei Jahrzehnte Forum Neues Leben – da denke ich in diesem Zusammenhang unweigerlich an meinen Amtsvorgänger, unseren Emeritus Alois Kothgasser, der im Jänner zum Vater heimgekehrt ist. Erzbischof Alois war Salesianer, ihm lag besonders die Jugend am Herzen, und somit war er ein mutiger Streiter für das Leben, der seine Überzeugung und die Lehre unserer Kirche mit ganzem Herzen und ganzem Sinn zu vertreten wusste. Er war überwiegend ein stiller Mensch, der seine Bekenntnisse selten wortreich formulierte – als an den Salzburger Landeskliniken Abtreibungen auf Krankenkassenkosten durchgeführt werden sollten, hat Alois Kothgasser nicht geschwiegen und so nicht nur dieses Ansinnen verhindert, sondern auch dafür gesorgt, dass wir heute hier zusammengekommen sind.
Die Würde des Menschen, so scheint es bisweilen, wird ihm immer mehr erst ab einer gewissen Eignung oder – schlimmer noch – einer „Verwertbarkeit“ für Gesellschaft oder Wirtschaft zugestanden. Eine solche Sichtweise ist nicht nur bedauerlich, sie vermag im extremen Fall einmal mehr in die finstere Pseudodefinition eines mutmaßlich „lebensunwerten Lebens“ führen. Solche Sichtweisen sind nicht nur in heutigen Tagen anzutreffen: In allen Epochen gab es wieder und wieder Phasen, in denen menschlichem Leben nicht automatisch und a priori jene Würde zugestanden wurde, die wir heute – so wollen wir bangend hoffen – doch als im Wesentlichen noch vorhandenen Grundkonsens annehmen wollen. Alle Pracht des alten Rom etwa stand doch dem Abgrund der Sklaverei und des regelmäßigen Infantizids gegenüber, der Gedanke eines schützenswerten, weil als göttliches Ebenbild geschaffenen Menschen war fremd.
Es ist die aus der Begegnung der Philosophie des antiken Griechenlands und der Offenbarung des Judentums hervorgegangene Begriffsdefinition der Person und der aus ihr resultierenden unantastbaren, weil unverliehenen Würde des Menschen, die wir als Christen bedingungslos annehmen und bedingungslos vertreten. Dieses Verständnis der Personenwürde liegt der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zugrunde, der sich die Mehrheit der Staaten der Welt vor über siebzig Jahren verpflichtet hat. Umso tragischer ist die weitreichende Abkehr von jenem Grundprinzip, die wir immer mehr bei den Gesetzgebungen rund um den Beginn und das natürliche Ende des Lebens beobachten müssen.
Unsere Stimme als Kirche muss hier laut und deutlich bleiben. Wir dürfen nicht müde werden darin, auf die unverhandelbare und zu allen Zeiten gegebene Würde des Menschen hinzuweisen, ganz besonders, wenn sie den Wehrlosesten abgesprochen wird. Wir müssen uns hier auch nach Kräften einsetzen, nicht nur dagegenzuhalten, sondern auch daran mitzuwirken, Alternativen aufzuzeigen, Perspektiven zu bieten. Jüngst wurde in der Ausgabe der „Orientierung“ berichtet, dass über 80% der beantragten assistierten Suizide auf unzureichende palliative Versorgung zurückzuführen seien – ein Weckruf nicht nur an uns, sondern vor allem an alle medizinisch und politisch Verantwortlichen! Ebenso ist es auch an uns, werdenden Müttern, die seelisch, körperlich oder auch wirtschaftlich in Not geraten, nach Kräften beizustehen und unser Bestes zu tun um zu verhindern, dass Ungeborene den ultimativen Preis für die Missstände der Welt bezahlen.
Seit zwanzig Jahren widmet sich das Forum Neues Leben mit hoher Kompetenz und großem persönlichem Einsatz seiner Mitglieder dieser Aufgabe. Die „Bioethik Online-Bibliothek“ ermöglicht seit 2018 den raschen und unkomplizierten Zugang zu qualitativ hochwertigen Publikationen. Das Forum tritt mit der Woche für das Leben jährlich auch öffentlich in Erscheinung – zusammen mit Einrichtungen wie IMABE gehört es damit zu den öffentlichen Stimmen, die gegen eine Entwürdigung des Menschen auftreten. Dafür möchte ich im Namen der Kirche aufrichtig danken und Gottes reichen Segen für die in Zukunft gewiss noch wichtigere Arbeit wünschen, und mit diesem Segenswunsch auch an den verstorbenen Gründer Alois Kothgasser erinnern, der uns und besonders allen in schwierigen Situationen Lebenden ein Fürsprecher beim ewigen Spender allen Lebens sein möge.