100. Todestag Sel. Maria Theresia Ledóchowska
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich darf, da wir des 100. Todestages der Seligen Maria Theresia Ledóchowska gedenken, mit einer sehr persönlichen Bemerkung beginnen. Ich habe die selige Maria Theresia bis zu meiner Ankunft in Salzburg nicht gekannt. Auch muss ich bekennen, dass ich mich in den letzten acht Jahren auch nicht näher mit ihrem Leben und Wirken beschäftigt habe. Aber ich veranlasste, dass vor ihrem Bild am Borromäusaltar täglich eine Kerze brennt. Und ich bete, so sich mein Rundgang durch die Kirchen der Innenstadt ermöglicht, täglich vor ihrem Bild. „Selige Maria Theresia, ich empfehle Dir die Frauen in unserer Kirche.“ Ich belasse diese Bitte in der allgemeinen Form, weil ich nicht weiß, auch nicht schon wissen möchte, wie die Bitte erfüllt werden soll. In gleicher Weise bete ich am Nonnberg zur Patronin unserer Diözese zur Hl. Erentrudis.
Schon in ihrer kleinen wie auch sehr feinen Schrift „Die Frau im Dienste der afrikanischen Missionen“ schreibt die Selige Maria Theresia: „Unter den Fragen, welche gegenwärtig die Gemüter bewegen, steht unstreitig die Frauenfrage im Vordergrunde.“ Sie beruft sich in dieser Fragestellung nahezu euphorisch auf die Erstlingszeugin der Auferstehung, auf Maria Magdalena. „Der Auferstandene bedient sich“, so ihre Worte, „der einstigen Sünderin, um die Frohe Botschaft seiner Auferstehung den Männern, den Aposteln zu verkünden.“ Diese Frau werde von nun wahrhaft apostolisch zu nennen sein, so ihre Wahrnehmung. Heute wird Maria Magdalena von der Kirche offiziell als Apostelin gefeiert. Offensichtlich hat die Selige Maria Theresia die Gabe der Wesensschau. In einem Moment das Wesentliche, in unsrem Fall zu erkennen, was Maria Magdalena so sehr auszeichnet. Darum lade ich ein kurz die Begebenheit am Ostermorgen am Grab zu betrachten. Maria Magdalena kommt frühmorgens zum Grab und sieht das Grab ist leer. Sie läuft zu Simon Petrus, um mitzuteilen, das Grab ist. Offensichtlich hat jemand den gekreuzigten Herrn weggenommen. Die Jünger laufen zum Grab, stellen fest, das Grab ist leer. Vom Jüngeren heißt es: „Er sah und er glaubte.“ Dann kehren sie wieder nach Hause zurück. Es gibt nichts zu tun. Maria aber bleibt. Steht draußen vor dem Grab und weint. Was hält Maria am Grab zu bleiben? Wohl gewiss die Sehnsucht, dort zu sein, wo die letzten Überreste ihres geliebten Meisters gelegen hatten. Dann ereignet sich Folgendes. Sie sieht zwei Engel im Grab sitzen, der eine fragt sie: „Frau, warum weinst du?“ Sie antwortet: „Man hat meinen Herrn weggenommen“. Darauf wendet sie sich um und sieht Jesus dastehen, denkt aber es sei der Gärtner. Dieser fragt: „Warum weinst du? Wen suchst du?“ Maria zum vermeintlichen Gärtner: „Hast du ihn weggenommen? Sag mir, wohin hast du ihn gelegt, damit ich ihn holen kann.“ Und Jesus sagt zu ihr „Maria“. Und da heißt es in den herkömmlichen Übersetzungen: „Maria wandte sich Jesus zu“. Das stimmt nicht ganz. Es heißt „wiederum sie wandte sich um“, d.h. weg von Jesus. Sie sagt „Rabbuni“. Warum wendet sie sich von Jesus weg? „Rabbuni“ bedeutet nicht, wie gewöhnlich angenommen, nur eine Verkleinerungsform von Rabbi, sondern „Weltenherrscher“. In diesem Moment, als Jesus sie mit Namen nennt: Maria, da sieht nicht bloß den wiedererstandenen Herrn, sondern Jesus Christus in der ganzen göttlichen Herrlichkeit – und die kann ein Mensch nicht schauen. Man hat diesen Augenblick „Magdalenensekunde“ genannt. Diese ganze Geschichte am Grab, frühmorgens, als es noch dunkel war, ist eine Sehnsuchtsgeschichte des Menschen mit Gott.
Leben und Wirken der Seligen Maria Theresia Ledóchowska sind ein getreues Abbild davon. Ihr Leben war von Sehnsucht geprägt. In jungen Jahren verliebte sie sich; aber diese Liebe wurde nach anfänglicher Zuneigung nicht erwidert. Eine Enttäuschung, die in ihr einen tiefen Eindruck hinterließ, wie berichtet wird. Wahrscheinlich hatte sie in ihrem tief religiösen Empfinden die nicht leicht zu vernehmende Wahrheit des Lebens und Glaubens kennengelernt, dass Liebe auf den Fußspuren Jesu immer auch gekreuzigte Liebe ist. Wie bei Maria Magdalena heißt lieben auch ohnmächtig unter einem Kreuz und weinend an den leeren Gräbern unserer Sehnsüchte auszuharren. Maria Theresia war nicht nur edel von Herkunft, sondern auch sehr schön von Gestalt. In jungen Jahren liebte sie schöne Kleider, Theaterbesuche und Reisen. Selbst diese schöne Welt wurde durchkreuzt durch eine Pockenerkrankung. In ihrer Umgebung hatte man alle Spiegel verhängt, damit sie sich nicht selber sehen konnte. Trotzdem, an all dem zerbrach Maria Theresia nicht. Ganz im Gegenteil, in ihr erwachte eine tiefe Sehnsucht, das Evangelium Menschen nahe zu bringen; zu helfen vor allem in Afrika, wo Menschen fürchterlich unter Ausbeutung und Sklaverei zu leiden hatten.
Nun sagt uns der Hl. Franziskus, man solle die Seligen und Heiligen nicht feierlich hochleben lassen, sondern selbst heilig werden. Wie und wo kann uns die Selige Maria Theresia heute Vorbild sein?
Maria Theresia hatte ein religiöses Umfeld; sie war von Kindheit an tief im gläubigen Leben. Das war die Grundlage für tiefere Gotterfahrungen und für den Einsatz für die Menschen aus dem Glauben heraus. Das ist bei uns nicht mehr so. Von Jesus heißt es: „Wie gewohnt ging er am Sabbath in die Synagoge.“ Von wie vielen Christinnen und Christen kann man heute sagen: Wie gewohnt gehen sie am Sonntag in die Kirche? Wir müssen uns um eine neue Grundlegung unseres Glaubens aus dem je konkreten Leben neu bemühen. Das Glauben nicht nur den augenblicklichen Gefühlsregungen anheimgeben.
Der große Konzilstheologe Karl Rahner, er wesentlich das II Vatikanum mitgeprägt, sagt am Ende seines Lebens: Nach dem Konzil habe ein Positivismus Platz gegriffen, der vornehmlich auf die Gutheit der Menschen baute und mit dem Kreuz nicht Ernst machte. Seinem Denken fehle die Kreuzestheologie. Maria Theresia stand und dem Kreuz Christi. Ihre große Freude war es, dass die Konstitutionen ihrer Sodalität an einem Karfreitag anerkannt wurden. „Die Sodalität wurde unter dem Kreuz geboren, auf Kalvaria. Das erklärt alles!“ rief sie aus. Christusnachfolge ist Kreuzesnachfolge, das ist gänzlich aus unserem Glaubensschatz verschwunden. Nachdem der Heilige Apostel Paulus am Areopag in Athen mit einer etwas anbieterischen Form gänzlich Schiffbruch erlitten hat, rief er aus: „Von nun an will ich nichts mehr kennen, außer Jesus Christus, und zwar den Gekreuzigten.“
Mit der Seligen Maria Theresia können wir lernen, an keiner Not achtlos vorbei zu gehen, sondern zu helfen, wo es nottut. Sie hat ihr ganzes Leben und Wirken der Freiheit und gegen den Sklavenhandel gewidmet. Wofür setzen wir uns ein? Gibt es nicht auch heute viel Sklaventum und Unfreiheit? Ist nicht heutzutage und bei uns in sogenannten reichen Ländern der Mensch sich selbst zum Sklaven geworden? Für Maria Theresia war das Evangelium die Waffe gegen diese fürchterliche Unfreiheit. Wir würden heute nicht mehr von einer Waffe reden. Aber wie lautet unser Motto, wenn es um das Heil dieser Welt und der Seelen der Menschen geht? Mir fällt so schnell einmal gar nichts ein. Jenem weisen Mann wird man Recht geben müssen, der gesagt hat: Aus der Frohbotschaft wurde eine Drohbotschaft und unsere Zeit habe aus der Drohbotschaft eine Nullbotschaft gemacht. Kürzlich hat Prof. Siebenrock dasselbe auf seine Weise gesagt: „Ich fürchte mich nicht so sehr aufgrund der Unglaubwürdigkeit der Kirche, sondern vielmehr, dass das Evangelium bei den Menschen und auch bei seinen Verkündigern und Verkündigerinnen unglaubwürdig wird.“
Die Selige Maria Theresia Ledóchowska lebte und wirkte aus dem Geist des Evangeliums. Ihr wurde einiges auch von Gott her zugemutet, aber sie hat die Freude am Glauben, die Freude, Bedrückten und Betrübten helfen zu können, nicht verloren; ganz nach ihrem Motto:
„Immer heiter, Gott hilft weiter!“
Amen!