Soziologe Rosa: Krise von Demokratie und Religion hängen zusammen

SALZBURG (eds/kap - 6. 8. 2017) / Für einen kritischen, reflektierten Umgang mit den Neuen Medien hat der Kärntner Bischof Alois Schwarz plädiert. „Das Leben ist mehr als Datenverarbeitung“, betonte Schwarz beim Abschlussgottesdienst der „Salzburger Hochschulwochen“ am Sonntagmorgen im Salzburger Dom. Die moderne Öffentlichkeit mit all ihren technischen Möglichkeiten sei „ein tägliches Gut und eine tägliche Gefahr zugleich“, so der Kärntner Bischof. Denn sie vermittle dem Menschen indirekt, „nicht zu genügen, wenn er nicht ständig surft, kommuniziert, Dinge teilt“.
Die Algorithmen suggerierten zwar oftmals, „dass sie uns besser kennen als wir uns selbst“, sie hätten jedoch keine Antwort auf existenzielle Fragen wie jene nach Liebe und Tod. „Wir müssen daher aufpassen, dass die technische Horizonterweiterung nicht zu einer Horizontverengung des Menschen führt“, appellierte Schwarz.
Der Gottesdienst im Salzburger Dom bildete den liturgischen Schlusspunkt der heurigen „Salzburger Hochschulwochen“, die unter dem Generalthema „Öffentlichkeiten“ standen.
Verlust der Fähigkeit, „sich vom Anderen berühren zu lassen“
Den akademischen Schlusspunkt setzte der Jenaer Starsoziologen Hartmut Rosa bei seinem Festvortrag in der großen Aula. Seine These: Die gegenwärtige Krise der Demokratie und der politischen Öffentlichkeit und die Krise, die die christlichen Kirchen in Form von Relevanz- und Gläubigenverlust erfahren, hängen miteinander zusammen. Fluchtpunkt beider Krisen sei nämlich ein Verlust an „Resonanzfähigkeit“, d.h. der Verlust der Fähigkeit, „sich vom Anderen und von Anderen affizieren, berühren zu lassen“. Auf der anderen Seite - so Rosa - beschreibe Religion damit zugleich eine wesentliche Kompetenz, die auch Demokratie und Öffentlichkeit benötigen: „Politische Öffentlichkeit funktioniert nur auf Basis einer im weiteren Sinne religiösen Grundhaltung.“
Religion beschreibe ursprünglich genau dieses Angesprochen-Werden: Der Mensch erfahre sich in der Religion als „Angesprochener“, die Welt ist ihm in dem Moment nicht mehr „kalt, leer und still“, sondern als Ort der Hoffnung, dass „sein Schreien, Flehen, Hoffen“ auf eine Antwort trifft. Die Dauerbelastung aus Beschleunigung, Stress und permanente ökonomische Steigerungserwartung würde jedoch diese Fähigkeit in den Hintergrund rücken lassen. „Es verhindert, dass wir in den Modus der Resonanzfähigkeit, ja, der Lebendigkeit hineinkommen. Die Welt wird scheinbar sicherer, unsere Weltreichweite vergrößert sich, aber wir werden zunehmend unglücklicher“, so der Soziologe.
Öffentlichkeit und damit auch Demokratie „funktioniere“ auf der anderen Seite immer dort, wo Menschen sich nicht nur vom Anderen „berühren“ lassen, sondern auch die Bereitschaft mit sich bringen, sich vom Anderen verändern zu lassen. „Gesellschaften, die sich nicht verändern wollen, die nur den Status quo erhalten wollen, sind leblose, resonanztaube Gesellschaften.“ Rechtspopulistische und identitäre Bewegungen seien entsprechend das Resultat eben jener Krisenerfahrung, „dass die politische Öffentlichkeit nicht mehr als Resonanzraum der vielfältigen Stimmen funktioniert“, so Rosa. Die Antwort des Populismus, sich hinter der Stimme einer Leitfigur zu versammeln und die Vielfalt der Stimmen stillzustellen, sei dabei keine Lösung, sondern verschärfe die Krise noch zusätzlich.
Prof. Hartmut Rosa ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und seit 2013 zugleich Direktor des Max-Weber-Kollegs an der Universität Erfurt. Rosa promovierte 1997 an der Berliner Humboldt-Universität und habilitierte sich 2004 in Jena. Seine Habilitation erschien 2005 unter dem Titel „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ und erregte großes öffentliches Interesse. Zuletzt wurde Rosas 2016 erschienenes Werk „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehungen“ zu einem Bestseller.
„Salzburger Hochschulwochen“ 2018 zum Thema „Angst?“
Neben Stress und Beschleunigung zähle auch Angst zu den „Resonanzkillern“, führte Rosa weiter aus - ein Thema, dem sich die nächstjährigen "Salzburger Hochschulwochen" widmen werden, wie Erzbischof Franz Lackner am Ende des Festaktes ankündigte. Angst sei „eine unsichtbare Weltmacht“, die Politik wie Märkte bestimme, heißt es dazu in der Ankündigung. Das Individuum erfahre sich oftmals anonymen Mechanismen ausgesetzt, dabei werde der Ausruf „Keine Angst!“ gleichermaßen zu einem „Versprechen und Imperativ der Moderne“ - ein Versprechen, für das nicht zuletzt auch Religion einstehe. Die „Salzburger Hochschulwochen“ 2018 werden vom 30. Juli bis 5. August stattfinden. (Infos: <link http: www.salzburger-hochschulwochen.at _blank>www.salzburger-hochschulwochen.at)
Foto 1: Prof. Hartmut Rosa bei seinem Festvortrag in der großen Aula.
Foto 2: Der Gottesdienst im Salzburger Dom bildete den liturgischen Schlusspunkt der heurigen „Salzburger Hochschulwochen“.
Fotos: Henning Klingen / Kathpress