Salzburger Empfang der Religionen im Zeichen der Gewaltlosigkeit
SALZBURG (eds) / Der diesjährige Salzburger „Empfang der Religionen“ am Mittwoch stand im Zeichen der Gewaltlosigkeit. Beim Prinzip der Gewaltlosigkeit treffen sich die unterschiedlichsten Religionen, führte Robert J. Zydenbos, Professor für Moderne Indologie an der Ludwig-Maximilian-Universität München, anhand des Jainismus aus. „Jede Religion hat den Respekt für das Leben grundsätzlich schon in sich. Bei den Jainas hat sich das intensiviert“, erzählte er. Anweisungen zur Selbstreflexion und Selbstanalyse seien bereits in den ältesten Texten zu finden: „Was im Jainismus hervorsticht, ist die Anweisung, sich selbst zu vertrauen, sich selbst immer wieder zu prüfend zu fragen, ob dies oder jenes gut ist“, unterstrich er in seinem Vortrag an der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Zuvor trafen Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Religionen wie Christentum, Islam, Buddhismus und Bahai zu einem religionsübergreifenden Gebet in der Kollegienkirche zusammen. Als verbindendes und friedenstiftendes Symbol führte ein langes Kletterseil wie ein roter Faden durch das Gebet. Diakon Frank Walz, Assistenzprofessor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie am Fachbereich Praktische Theologie der Universität Salzburg sowie Leitungs- und Kuratoriumsmitglied des Afro-Asiatischen Instituts Salzburg, erklärte dazu: „Uns verbindet die Sehnsucht nach Frieden“, ähnlich dem Seil, das verbindend gemeinsam gehalten wurde.
Eingangsstatements
Martin Rötting, Stellvertretender Leiter vom Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen und Leiter Religious Studies, sprach in seinen Grußworten angesichts des kriegerischen Nahost-Konflikts die oft große Sprachlosigkeit unter den Partnerinnen und Partnern im Religionsdialog an: „Uns stocken fast die Worte und die unterschiedlichen Friedensbemühungen kommen fast zum Stillstand. Aus der Praxis des interreligiösen Dialogs wissen diejenigen, die kurze Statements zu den Geschehnissen dieser Tage formulieren müssen, wie schwierig es ist, das rechte Wort zu finden und auch das rechte Nichtssagen. Wir erleben unsere Welt in einem Bruch der Friedensbemühungen, der immer schon eine Sehnsucht geboren hat, diesen zu überwinden.“ Eine der vielversprechendsten Spuren beim Versuch, die unüberwindbaren Gegensätze in ein Lachen und ein Herz zu bringen, ist für Prof. Rötting „Ahimsa“, ein Prinzip, das unter anderem viele Christinnen und Christen inspiriert hat. Gandhi und die ganze darauffolgende Bewegung „wäre nicht zu denken ohne dieses Prinzip“. Es sei gerade im, im schreienden Klagen des Nichtverstehens notwendig, gleichzeitig die Stimme der philosophischen Reflexion zu Wort kommen zu lassen. Professor Rötting würdigte Vortragenden als „genau den Richtigen“, um in dieses Thema einzuführen.
Auf die vielfältige Gestalt des Phänomens Gewalt wies Dietmar W. Winkler, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, in seinen Grußworten hin. Denn, wer über das Thema Gewaltlosigkeit spricht, müsse auch über Gewalt an sich sprechen. Schon ein erster Versuch der Beschreibung von Gewalt, die es gelte zu vermeiden oder zu überwinden, mache deutlich: „Es geht bei der Frage Gewalt und Gewaltlosigkeit nicht nur um individuelle oder kollektive brachiale Form, die uns täglich allzu vehement entgegenspringt“, etwa medial oder durch persönliche Erfahrung. „Es geht auch um die institutionelle und strukturelle Gewalt, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen zugrunde liegt“, betonte er und hielt fest: „Der Friede ist das Ziel, sei es der innere jedes Einzelnen oder der äußere, sichtbare des Zusammenlebens.“ Angesichts der griechisch-römischen Perspektive, die Friede faktisch auf die Abwesenheit des Krieges beschränkt habe, „tut der Blick auf eine andere Religion, die in einem anderen Kulturraum entstand, durchaus not“. Unterschiedliche Kulturräume und unterschiedliche Religionen mögen unterschiedliche Zugänge und Lösungsmöglichkeiten haben. „Hier gilt es, gut aufeinander zu hören und zuzuhören.“
Matthias Hohla, Referent für Ökumene & Dialog der Religionen der Erzdiözese Salzburg, betonte, es gehe „um das Tun im Alltag, im Konflikt und das Verhandeln und Diskutieren anhand des Prinzips der Gewaltlosigkeit“.
Selbstanalyse
Die Weltanschauung Jainismus basiert laut Professor Zydenbos auf Selbstanalyse. Zentral sei, in sich zu gehen etwa in Form von Meditation, sowie das logische Denken. „Man kommt zu der Schlussfolgerung, dass es das Selbst gibt, die Seele, oder jiva wie sie es nennen. Das ist reines Bewusstsein. Alles andere, womit wir uns identifizieren, sind nicht wir.“ Es gehe darum, sich zu isolieren von dem, was man nicht ist, erzählte er bei seinem Vortrag zum Thema „Ahimsa: Das Prinzip der Gewaltlosigkeit im Jainismus“. Je mehr Distanz möglich werde von Verführungen wie etwa materieller Besitz, sozialer Status, politischer Einfluss, körperliche Schönheit und Stärke, umso geringer seien negative Effekte gegenüber der Umwelt, anderen Menschen, Tieren und gegenüber sich selbst. Er beschreibt Jainismus als eine Form von „erleuchtetem Egoismus“. „Dahinter steht der Respekt gegenüber dem Leben. Denn das Leben ist das einzige wirklich Heilige. Das sind wir selbst, aber das sind auch andere Lebewesen.“ Deshalb betrachten die meisten Jainas das Gebot der Gewaltlosigkeit als den Kern ihrer religiösen Tradition. „Gewaltlosigkeit ist für sie das höchste religiöse Gesetz.“ Prof. Zydenbos beschäftigte sich bereits mehrere Jahrzehnte aus Interesse mit diesem Thema, um die Partnerinnen und Partner im Religionsdialog besser zu verstehen. Er sieht „Ahimsa“ nicht als Basis, sondern als Konsequenz des Jainismus.
Religion ohne Anfang oder Ende
Der Jainismus betrachtet sich selbst als eine ewige Religion, ohne Anfang oder Ende, deren Prinzipien in jedem kosmischen Zeitalter neu erkannt werden, so der Professor. Der Jainismus gilt als konservativste der drei antiken indischen religiösen Traditionen, neben Hinduismus und Buddhismus. Oft werde die ursprünglich missionarische Religion falsch verstanden als „Rebellion gegen das gewalttätige vedische Opferritual“. Als wichtigster Unterschied zum Buddhismus benannte Prof. Zydenbos, dass der Jainismus die Existenz eines unvergänglichen Persönlichkeitskerns, den jiva, anerkennt. Bis vor etwa 1000 Jahren waren die Jainas eine der zahlenmäßig wichtigsten Religionsgemeinschaften Indiens. Die Zahl der Jainas sei jedoch wegen der Popularisierung neuer Formen des Hinduismus und wegen Verfolgung zurück gegangen. Heute lässt sich ihre Zahl mit etwa ein Prozent der indischen Bevölkerung nur schätzen. Seit den 80er-Jahren sei Emigration und erneute Verbreitung janaistischen Gedankengutes zu beobachten.
Gemeinsam für den Frieden
Veranstaltet wurde der „13. Empfang der Religionen“ in einer Kooperation von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, dem Referat für Ökumene & Dialog der Religionen der Erzdiözese Salzburg, der Diözesankommission für den interreligiösen und interkulturellen Dialog (DKID), dem „Katholischer Akademiker*innenverband“ (KAV), der Katholischen Hochschulgemeinde, dem Institut für Religionspädagogische Bildung Salzburg (IRPB) und dem Afro-Asiatischen Institut Salzburg.