Salzburg: Impulse für kirchenhistorische Friedensforschung
SALZBURG (kap)/ Ein positives Resümee der jüngsten kirchenhistorischen Tagung zur Rolle der Kirchen und Religionen im Kalten Krieg hat der Salzburger Kirchenhistoriker Prof. Roland Cerny-Werner gezogen. Rund 35 Expertinnen und Experten aus acht Nationen waren vor Kurzem nach Salzburg gekommen, um die Epoche des Kalten Krieges im Blick auf die Rolle der Kirchen und Religionen zu beleuchten. Ein Ergebnis der Tagung liege in der Notwendigkeit, noch stärker eurozentristische Perspektiven aufzubrechen, so Cerny-Werner im Kathpress-Interview am Montag. Weiteren Forschungsbedarf gebe es beispielsweise auch im Blick auf den Helsinki-Prozess und die Rolle des in Wien ansässigen Europäischen Hilfswerks, das eine wichtige Rolle bei der Hilfe für die Kirche hinter dem Eisernen Vorhang spielte.
Beleuchtet wurden bei der Tagung etwa verschiedene kirchliche Entwicklungen in der Sowjetunion, in Polen oder Jugoslawien. Auch weiblichen christlichen Dissidentinnen im ehemaligen Ostblock oder "Speckpater" Werenfried van Straaten, Begründer des internationalen Hilfswerks Kirche in Not, waren Vorträge gewidmet. Dabei wurden die Themen sowohl von katholischer als auch orthodoxer und reformatorischer Seite beleuchtet. Auch buddhistische Friedensinitiativen wurden beleuchtet. Das Spektrum der Vorträge reichte bis Japan, China und Südafrika.
Die Zusammenarbeit des Christentums über den Eisernen Vorhang hinweg erfolgte, wie etwa der Hamburger Theologe Prof. Sebastian Holzbrecher aufzeigen konnte, zu einem großen Teil über Hilfswerke. Der Fokus seiner Präsentation lag auf dem Europäischen Hilfswerk (EHC). Dieses wurde von der Österreichischen Bischofskonferenz gegründet und hatte seinen Sitz in Wien. Da allerdings einige Deutsche als Leiter fungierten, habe die deutsche Bischofskonferenz relativ rasch die Supervision einiger bedeutender Projekte übernommen.
Österreich als Sitz der EHC sei allerdings insofern von Vorteil gewesen, als man so von der Neutralität Österreichs profitieren konnte. Hauptaugenmerk des EHC war die Unterstützung der katholischen Kirchen in Osteuropa. Es sei aber scheinbar nie gelungen, so Holzbrecher, die Hilfsorganisation ökumenisch zu weiten. Weitere Forschungen zur EHC seien jedenfalls nötig.
Die in Helsinki lehrende deutsche Kirchenhistorikerin Prof. Katharina Kunter stellte in ihrem Vortrag einige Narrative zum Helsinki-Prozess infrage. Unter anderem ging es hierbei um die Darstellung Finnlands als neutrales Land an der Schnittstelle zwischen dem Osten und dem Westen. Tatsächlich sei die politische Einstellung in Finnland aber viel stärker pro-sowjetisch gewesen, als weithin bekannt.
Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE; "Helsinki-Prozess") war eine Folge von blockübergreifenden Konferenzen der europäischen Staaten zur Zeit des Ost-West-Konfliktes. Die erste Konferenz fand vor allem auf Initiative der Teilnehmerstaaten des Warschauer Pakts ab dem 3. Juli 1973 in Helsinki statt. Teilnehmer waren 35 Staaten: die USA, Kanada, die Sowjetunion und alle europäischen Staaten mit Ausnahme von Albanien und Andorra, die erst später der KSZE beitraten. Am 1. August 1975 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten in Helsinki die Schlussakte, das den Willen zur Zusammenarbeit in unterschiedlichen Themen- und Handlungsfeldern dokumentiert. Die Unterzeichnung gilt als historischer Durchbruch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. 1995 wurde die KSZE mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Nachfolgerin institutionalisiert.
Erinnerung an Kardinal König
Eröffnet hatte die Tagung der Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Prof. Dietmar Winkler. Er würdigte die Pionierleistungen des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz König (1905-2004), der ab den 1960er-Jahren die Beziehungen der Kirchen im Westen zu den Kirchen im damaligen Ostblock aufbaute.
Der orthodoxe Theologe Prof. Georg Vlantis, der u.a. an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt, sprach im Blick auf die Periode des Kalten Krieges von anfänglichen starken antiökumenischen Tendenzen in den orthodoxen Kirchen. Allerdings hätte sich der Zugang zur Ökumene innerhalb der Orthodoxie im Laufe der Zeit langsam zum Positiveren gewandelt, wodurch etwa auch orthodoxe Kirchen dem Weltkirchenrat beitraten.
Veranstalter der Tagung war der Fachbereich "Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte" an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg in Zusammenarbeit mit der Salzburger Pro Oriente-Sektion, der Erzdiözese Salzburg sowie Stadt und Land Salzburg. Federführend organisiert wurde die Tagung von Roland Cerny-Werner und Prof. Katharina Kunter. Eine Folgekonferenz zu Salzburg findet am 10./11. Juni 2025 in Helsinki statt, wie Cerny-Werner ankündigte. Der Ort wurde bewusst gewählt: zum 50-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte.