Rund 1.700 Glocken läuten zu Ostern in Salzburg

SALZBURG (eds) / Mehr als 20.000 Glocken ertönen in der Osternacht von Karsamstag auf Ostersonntag in ganz Österreich. In der Karwoche bleiben die Kirchturmglocken traditionellerweise still: Dem Volksglauben nach „fliegen“ sie am Gründonnerstag nach Rom und kehren erst zum Gloria in der Osternacht zurück. Laut aktuellen Zählungen soll es in den österreichischen Diözesen 20.696 Glocken geben – jene der evangelischen Kirchen nicht mitgezählt. Die schwerste Kirchenglocke Österreichs ist die „Pummerin“ im Wiener Stephansdom mit mehr als 20 Tonnen Eigengewicht. Die wahrscheinlich älteste erhaltene Glocke Österreichs stammt aus dem 11. Jahrhundert und befindet sich in der Schatzkammer Gurk. Die zweitgrößte Glocke ist im Salzburger Dom beheimatet. Für den Salzburger Glockenreferenten Josef Kral sind „Glocken die Stimme der Kirche, die auch jene noch erreicht, die sonst längst nichts mehr mit der Kirche anfangen können“.
Die Erzdiözese Salzburg zählt rund 1.700 Glocken, darunter „Salvator“, die Grund-Glocke des Salzburger Doms, gestimmt in Nominal es°, die nach der Pummerin im Wiener Stephansdom mit ihren mit 14.256 Kilogramm als die zweitgrößte Glocke Österreichs gilt. Das Gesamtgeläute des Doms gehört mit seinem 32.000 Kilogramm zu den größten Europas. Die Rupertusglocke des Doms ist „nicht nur sehr groß, sondern auch besonders wohlklingend. Das heißt, die Teiltöne des Klanges sind nicht nur von der Lage her optimal aufeinander abgestimmt, sondern haben auch eine angenehme Lautstärkenverteilung zueinander“, berichtete Kral. Große Bedeutung habe auch das Geläute der Stiftskirche St. Peter: „Es wurde 1927 in Wien von Josef Pfundner gegossen und war sowohl technisch als auch mit seiner expressionistischen Glockenzier besonders fortschrittlich. Im Gegensatz zu fast allen anderen Geläuten aus dieser Zeit hat es den Zweiten Weltkrieg überlebt.“ In Salzburg gibt es etliche lokale Sagen zum „Wetterläuten“ und über Glocken, die nicht geraubt werden können, sowie Erzählungen um Glockenrettungsaktionen im Zweiten Weltkrieg.
Als weitere herausragende Glocken Salzburgs gelten die gotischen Glocken Jörg Gloppitschers in der Franziskanerkirche sowie in St. Leonhard bei Tamsweg („Leonhardstier“), welche eine berühmte Wetterglocke ist. Glockengeschichtlich hohen Wert hat auch das Geläute von St. Johann im Pongau, das größte in Österreich hergestellte Geläute aus Ersatzglocken in Gussstahl. (Böhlerwerk, Kapfenberg). Die ältesten Glocken der Erzdiözese schließlich sind zwei kleine Glocken aus dem 13. Jahrhundert in Weitau bei St. Johann in Tirol.
„Normales“ Salzburger Geläute mit vier Glocken
Das Bundesland Salzburg verfügt über 947 (erfasste) Kirchenglocken, davon sind 175 Stück vor 1900 gegossen. Im Tiroler Teil der Erzdiözese sind es 795 Stück, davon stammen 99 aus der Zeit vor 1900. „Der Anteil der historischen Glocken der Erzdiözese Salzburg liegt damit im österreichweiten Durchschnitt“, erklärte Kral. Ein „normales“ Geläute in Salzburg besteht aus vier Glocken und baut auf etwa auf dem Ton a‘ auf. Das sei verglichen mit Ostösterreich relativ groß, Grund dafür sei eine ausgeprägte Tradition des Wetterläutens. „Die statistisch gesehen große Anzahl an Glocken in einem Geläute ermöglicht eine vergleichsweise differenzierte Läuteordnung. Bei 4 Glocken lassen sich leichter geeignete Motive für eine differenzierte Gestaltung der verschiedenen kirchlichen Anlässe finden, als bei 2 Glocken.“ Von den heute vorhandenen Salzburger Glocken stammen die meisten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und zwar von der Gießerei Oberascher in Kasern oder der Gießerei Hamm&Hartner in Grödig. Diese beiden Gießereien unterscheiden sich laut Kral „musikalisch nicht wesentlich“.
„Glocken sind primär dazu da, um gehört zu werden. Sie sind wertvolle Musikinstrumente und ein Kulturgut ersten Ranges. Meistens unsichtbar gestalten sie in angenehmer Weise unsere musikalische Umwelt“, betonte er. Jede und jeder könne sich überlegen, „wie arm unsere Klanglandschaft ohne sie wäre und sich daran freuen, dass sich die Kirche eines so harmonischen und wohlklingenden Signalinstruments bedient.“ Zudem sollte in Erinnerung bleiben, „dass der ursprüngliche Zweck von Glocken eine liturgische Aufgabe ist. In diesem Sinne wünsche ich jedem, der Glocken hört, dass er das zum Anlass nimmt, eine kurze seelische Verschnaufpause einzulegen.“
„Fasten der Ohren“
Ab dem Gloria der Gründonnerstagsliturgie schweigen in der katholischen Kirche die Glocken und Orgeln. Der Legende zufolge „fliegen“ sie nach Rom und kehren zum Gloria in der Osternacht zurück. Die Formulierung im Volksmund „Die Glocken sind nach Rom geflogen“ hat keine klare Begründung: So ist es unsicher, ob sich die Glocken den päpstlichen Segen holen und mit der Osterbotschaft wiederkommen, dort gereinigt werden oder gar eine Mahlzeit erhalten.
Tatsächlich ist das Schweigen der Glocken ein Brauch, um die Tage des traurigen Leidens Jesu in Stille zu begehen. Analog zum Verhüllen von Kreuzen und Bildern, das als „Fasten der Augen“ gedeutet wird, soll der Verzicht auf den Klang von Glocken und Orgeln ein „Fasten der Ohren“ sein. Anstelle der Glocken werden in der Zeit der schweigenden Glocken von Ministrantinnen und Ministranten im Gottesdienst Klöppeln oder Ratschen benutzt.
Uhrzeit und Gottesdienst
Das Glockenläuten zur vollen Stunde oder zu jeder Viertelstunde hat sich im Mittelalter entwickelt, als der größte Teil der Bevölkerung noch keine Uhr hatte. Bis heute läuten die Kirchenglocken traditionell vor einem Gottesdienst, um die Gemeinde in die Kirche zusammenzurufen sowie während des Gottesdienstes bei der Wandlung. Je nach Region gibt es zudem ein „Freitagsläuten“ um 15 Uhr, das wöchentlich an das Karfreitagsgeschehen erinnert. Außerdem gibt es ein „Feierabendläuten“ am Samstag oder am Vortag eines Feiertags sowie ein Glockengeläut für Hochzeiten, Taufen oder ähnliche Feierlichkeiten.
Nahezu alle Diözesen haben eigene Glockenbeauftragte, die für die Erhaltung und Zählung zuständig sind. Eine Vielzahl der Glocken stammen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert, da ihre Vorgängerinnen meisten im Zuge des Zweiten Weltkriegs zu Kriegsgerät verarbeitet wurden.
Das Läuten der Kirchenglocken fällt unter das Grundrecht der Religionsfreiheit. Demnach ist das Glockenläuten ein Bestandteil der freien öffentlichen Religionsausübung und gilt „in bisher ortsüblichem Rahmen“ nicht als Ruhestörung. Kirchenrechtlich besitzen Kirchen und öffentliche Kapellen das Recht auf Glocken, um die Gläubigen zum Gottesdienst einzuladen und an häusliche und persönliche Gebete tagsüber zu erinnern.
Auf den Spuren alter österreichischer Glocken
Das Archiv der Erzdiözese Salzburg veröffentlicht nach und nach Teile einer umfangreichen Datensammlung zu 12.000 Glocken in unterschiedlichen Teilen Österreichs. Die Informationen ab dem 11. Jahrhundert stammen aus dem Nachlass von Augustin Jungwirth (1876-1942), Benediktinerpater in St. Peter und Michaelbeuern. Die Sammlung technischer Daten mit Glockenzierbeschreibung und Tonhöhen hat dieser nie fertiggestellt. Die Originale des gebürtigen Oberösterreichers lagern in mehreren Diözesen Österreichs. Ihre Veröffentlichung war in Form eines Gesamtkunstwerkes „Glockenkunde“ geplant. Der Salzburger Glockenreferent Josef Kral legt diesen historischen Schatz in Form seiner Buchreihe „Glockengedächtnis“ jedem ans Herz, „der an Glocken historisch interessiert ist“.
Josef Kral, Glockenreferent der Erzdiözese Salzburg, arbeitete nach Daten zu Salzburger Glocken (2017) und Tiroler Glocken (2019) kürzlich auch jene zu Kärntner Glocken auf. Kärnten sei vom Glockenguss her „komplett auf andere Gießertraditionen südlich der Alpen beschränkt gewesen“, aufgrund der Transportwege oder, weil es nicht möglich war, dass Gießer nördlich der Alpen Kärnten im größeren Stil versorgt hätten. Kärnten habe eigene Gießereien gehabt oder sich an Gusszentrenten wie Slowenien, Brixen und Graz orientiert.
Von Michael Fliri, Glockenreferent der Diözese Feldkirch, stammt ein Band zu Vorarlberger Glocken (2019). Alle Bände der Reihe „Glockengedächtnis“ sind beim Archiv der Erzdiözese Salzburg erhältlich, darunter die Neuerscheinung: Josef Kral, Glockengedächtnis Kärnten, Schriftenreihe des Archivs der Erzdiözese Salzburg, Band 29, Journal Verlag, Lienz, 2023, gebunden, 1404 S., 39,90 Euro. (Infos: https://eds.at/archiv/dioezesanarchiv/publikationen)
Akustische Online-Glockendatenbank
Betreut von Josef Kral, werden in Zusammenarbeit mit „Createsoundscape“ nach und nach sämtliche Glocken der Erzdiözese Salzburg mit Daten und Audiobeispielen erfasst. (Glockenfinder: https://createsoundscape.de/glocken-finder-2)