Religion und Wissenschaft sollen Zuständigkeitsgrenzen anerkennen

SALZBURG (kap) / Nobelpreisträger Anton Zeilinger ist bekennender Katholik und kennt „einige Kollegen, auch Nobelpreisträger, die gläubig sind“, wie er im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgaben; Mittwoch) sagte. Die Tätigkeit als Naturwissenschaftler sei freilich „völlig unabhängig von der Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht“. Einen Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaften gibt es nach den Worten des Quantenphysikers nur, wenn beide ihre jeweiligen Zuständigkeitsgrenzen überschreiten.
„Es gibt Dinge, die sich außerhalb der wissenschaftlichen Beweisbarkeit befinden“, erklärte Zeilinger. „Zum Beispiel, was am Beginn des Universums war. Wer hat die Naturgesetze festgelegt?“ Albert Einstein habe dazu gemeint, das wäre eine Rolle Gottes. Zum vermeintlichen Widerspruch zwischen einem Schöpfergott als Urgrund des Seins oder dem Zufall sagte Zeilinger: „Vielleicht hat er die Welt so geschaffen, dass es den Zufall gibt.“ Der Physiker verwies auf Kollegen, die der Meinung seien, dass der einzelne zufällige Prozess ein elementarer Schöpfungsakt ist. „Auch diese Position kann man haben. Ich sage, das muss nicht so sein."
Man habe die Freiheit, das mit oder ohne eine Rolle Gottes zu sehen. „Das ist dann letztlich eine persönliche Sache.“ Mit jungen Wissenschaftlern diskutiere er gelegentlich über Gott, „aber unabhängig von unserer Forschungstätigkeit", erzählte der Nobelpreisträger.
Auf die Frage, was er als Katholik in der Kirche verändern würde, antwortete Zeilinger: „Die Kirche sollte wieder stärker die Verkündigung der Frohbotschaft zu den Nicht-Christen übernehmen." Missionieren sei zwar heute sehr unpopulär, aber die Kirche habe diese Aufgabe und "es wäre gut, wenn man das macht - auch in unserer Gesellschaft“. Ein weiterer, deklariert „banaler“ Veränderungswunsch des Forschers betreffe „das unsägliche Thema der Kirchensteuer“. Diese sorge für "ein schlechtes Bild nach außen“. Er habe schon in Ländern gelebt, wo es keinen Kirchenbeitrag gibt "und wo die Kirche auch lebt“.
Forschung unbürokratisch fördern
In dem Kirchenzeitungs-Interview wiederholte Zeilinger auch seine Forderung, dass bei der Vergabe von Fördergeldern für die Grundlagenforschung nicht verlangt werde, bereits zu Beginn einer Arbeit genau zu sagen, was man damit machen wird. Das sei jedoch in den letzten Jahren immer üblicher geworden, er versuche dagegen Überzeugungsarbeit zu leisten. Zeilinger wörtlich: „Meine etwas harte Aussage ist: Wenn ihr wollt, dass es wieder lange dauert, bis es einen österreichischen Nobelpreisträger gibt, dann fahrt den Trend zur Bürokratisierung fort.“
In einem ehemaligen Kloster am Traunsee gründete Zeilinger die Internationale Akademie Traunkirchen, mit dem Ziel, Hochbegabte zu fördern. Diese seien in der normalen Schulumgebung "die Ausnahme, möglicherweise auch sozial isoliert" und sollten untereinander besser vernetzt werden. Als „großes Manko“ des österreichischen Schulsystems erachtet der Spitzenforscher, „dass wir nicht von der Volksschule an identifizieren, wer hochbegabt ist“. Er zog eine Parallele zum Thema Frauen in den Naturwissenschaften: Junge Frauen müssten zur Ermutigung Geschlechtsgenossinnen in Top-Positionen erleben.