„Mutter Teresa war schon damals heilig“

SALZBURG (eds/lsg - 29.11.2016) Die Erinnerungen an die Heiligsprechung Mutter Teresas am 4. September in Rom sind noch ganz frisch. Doraja Eberle wischt über das Smartphone. Die Bilder des kirchlichen Großereignisses, das sie mit ihrer Familie besuchte, lassen die ehemalige Landespolitikerin schwelgen. Immerhin ist Mutter Teresa für sie nicht irgendeine Heilige. „Sie hat mein Leben sehr geprägt“, sagt Eberle, „und sie kommt mir fast jeden Tag unter.“ Das verwundert kaum. Denn die Salzburgerin adoptierte zwei Kinder aus Indien, vermittelt und übergeben von der Friedensnobelpreisträgerin.
Begegnet war Eberle der Ordensfrau erstmals 1988 im Rahmen des Familienkongresses in Wien. Die damals noch kinderlose Sozialarbeiterin hatte dort die Kinderbetreuung über. Wie aus dem Nichts wurde sie angesprochen: Sie und ihr Mann mögen am nächsten Morgen um 6 Uhr den Gottesdienst besuchen und dort auf Mutter Teresa treffen. Von da an ging alles sehr schnell für das Paar. Daten wurden auf Papier mit Bleistift ausgetauscht, denn sie habe „ein besonderes Kind“ für die beiden, wie die Missionarin ihnen persönlich ankündigte. Einige Wochen vergingen und es war ausgerechnet der Heilige Abend, als das Telefon im Hause Eberle klingelte und die nächsten Schritte besprochen wurden. Im Februar hielt Doraja Eberle ihre damals sehr kranke und schwache Tochter in Indien bereits in den Händen. „Gott hat dich ausgesucht“, sagte Mutter Teresa zur frisch gebackenen Jungmutter – Worte, die tief wirken. Heute ist ihre Tochter 29 Jahre alt. Vier Wochen verbrachte die Salzburgerin mit Mutter Teresa in Indien. Die Behördengänge mussten erledigt, das Kind reisefähig werden. Eine Zeit, die sie für ihr Leben prägte, da sie im unmittelbaren Umfeld Mutter Teresas zu gegen war.
Ein Vorbild fürs Leben
Mutter Teresa sei eine „knallharte Managerin“ gewesen, so Eberle, anders gesagt „liebevoll autoritär“. Im Engagement der gebürtigen Albanerin ging es um unmittelbare Hilfe. „Schnelles Handeln war gefragt. Je länger Du abwägst, die Situation zerredest, desto eher ist der Moment vorbei“, erklärt Eberle, „Now! Jetzt!“ bringt sie den Anspruch der Ordensgründerin, „die nicht viel Zeit verschwendete“, auf den Punkt. Einen weiteren Grundpfeiler des Wirkens ruft sich Eberle ins Gedächtnis: „The power of one“: ein Mensch kann Vieles bewirken. All dies beeinflusste nachhaltig das Leben und eigene Engagement Eberles, die 1992 anlässlich des Bosnienkrieges mit ihrem Ehemann die humanitäre Hilfsorganisation „Bauern helfen Bauern“ gründete. Der Verein unterstützt unter anderem den Wiederaufbau, die Wiederansiedlung zuvor Geflohener sowie die Wiederbelebung zerstörter ländlicher Gemeinden in Bosnien und Herzegowina, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit.
Tief barmherzig
Es war das Anliegen Mutter Teresas „zur Stelle zu sein, Licht zu sein“, das und vieles mehr zeichne ihre Barmherzigkeit aus. Für Eberle war sie jedenfalls eine „tief barmherzige“ Persönlichkeit. „Sie konnte sich so zurücknehmen, wenn es um den Leidenden ging, in dem sie Christus selbst sah“, so Eberle. Die Worte „this is Jesus“ schwingen bis heute nach. „Sie gab über das Maß, in ihren eigenen Worten 'bis es wehtut'“. Während die ehemalige Landesrätin das sagt, glänzen im Hintergrund viele Fotos im „Bauern helfen Bauern“-Büro von einer großen Pinnwand – darunter vielfach Mutter Teresa. Sie selbst war es, die zum Hörer griff und der Familie 1990 ein weiteres Kind mit den Worten „euer Sohn ist da“ ankündigte. Drei Jahre später begegnete die Familie ihr in Brüssel. Die Fotos dieser Begegnung und die persönlichen Briefe bewahrt die Familie als stolzen Schatz.
„Die Mutter war damals schon heilig“, ist Doraja Eberle überzeugt und verortet ihre Heiligkeit vor allem in der Vorbildwirkung und der beispielhaften Demut, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. „Sie hat den Dienst für den Nächsten vorgelebt.“ Kritik, wonach Mutter Teresa Symptome, aber keine Ursachen der Armut bekämpfte, lässt Eberle nicht gelten, sei es doch jener Teil den sie abdeckte, den niemand gerne abdeckt: „Es sind die Sterbenden, Stinkenden, Verwaisten, die sie wie Könige behandelte und deren Menschenwürde sie erhielt.“ Eigentlich sei es so einfach, so die zweifache Mutter: „Will ich Barmherzigkeit? Dann einfach tun!“
Bild: Persönliche Begegnung der Familie Eberle mit Mutter Teresa in Brüssel 1995. Foto: Eberle
Dieser Artikel erschien ursprünglich in: Moment, Beilage der Erzdiözese Salzburg und der Diözese Innsbruck in der Tiroler Tageszeitung