Kirchenasyl – eine Möglichkeit für Flüchtlinge?

SALZBURG (eds/jup-29. 5. 2018) / Eine Asyl-Härtefallkommission auf Landesebene fordert die Plattform für Menschenrechte in Salzburg. Sie soll Asylbescheide noch einmal prüfen. „Denn Regelungen können nie jeden Einzelfall berücksichtigen“, sagt Josef Mautner von der Plattform für Menschenrechte und Katholischen Aktion. In einem zweiten Schritt soll das Thema Kirchenasyl in der Erzdiözese und den Gemeinden stärker thematisiert werden und, wie es die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche in Deutschland vorlebt, mit einer Grundsatzerklärung von Gemeinden Druck von unten ausgeübt werden. Gründungsmitglied Wolf-Dieter Just, evangelischer Theologe, gab gestern im abz Einblicke in das Kirchenasyl in Deutschland.
Essen, Juli 2014: Ein iranisches Paar ist vom Islam zum Christentum konvertiert – dem Mann droht in der Heimat die Todesstrafe, der Frau eine lebenslange Haft. „Da sie nach der Flucht erst in Schweden getauft wurden, wurde der Asylantrag abgelehnt. Freunde schleusten sie nach Deutschland weiter. Nach der Dublin-Regelung hätten sie in den Ersteinreisestaat rücküberstellt werden müssen“, erklärte Wolf-Dieter Just. Während des Kirchenasyls bekamen sie die Asylanerkennung. „Das hat ihnen das Leben gerettet“, so Just.
2018: 445 Kirchenasyle in Deutschland
Kirchenasyl versteht die deutsche Bundesarbeitsgemeinschaft als zeitlich befristete Aufnahme in den Räumen einer Kirchengemeinde für Menschen, denen bei Abschiebung Folter, Tod oder inhumane Härte droht. Mit dem Kirchenasyl wird Zeit gewonnen, damit das Schutzbegehren noch einmal geprüft wird. „In 90 Prozent der Fälle gelingt der Nachweis, dass Entscheidungen der Behörden revisionsbedürftig sind“, so Just. Kirchenasyl wird erst gewährt, wenn alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. „Darum ist es relativ selten. 2015 gab es in Deutschland 890.000 Flüchtlinge und 300 Kirchenasyle für 488 Personen. Derzeit leben in 445 Kirchenasylen 674 Personen.“ 375 sind Dublin-Kirchenasyle, diese steigen. „Die Länder der EU-Außengrenzen sind überfordert“, so Just, der erklärt: „Wenn Menschen binnen sechs Monaten nicht in den Ersteinreisestaat rücküberstellt werden können, weil der Flüchtling klagt und er dann Kirchenasyl bekommt, ist das Land zuständig, in dem er sich gerade aufhält.“
Rechtliche Grundlage
Im Februar 2015 einigten sich die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Deutschland auf ein Verfahren beim Kirchenasyl. Rechtlich ist es nicht anerkannt, allerdings stellt das Bundesamt die Tradition nicht in Frage und lässt eine Härtefallprüfung zu. Die Gemeinde muss ein Dossier erstellen, wo z. B. Menschenrechtsverletzungen im Ersteinreisestaat klar ersichtlich werden. „Wir haben eine christliche Beistandspflicht für Bedrängte“, sagt Just.
In Österreich gibt es vereinzelt in fast allen Bundesländern Kirchenasyle. Aufsehen erregte es, als im Mai 2011 die evangelische Diözese Salzburg/Tirol sich zum Kirchenasyl bekannte.
Foto: Der evangelische Theologe Wolf-Dieter Just (l.) und Josef Mautner von der Plattform für Menschenrechte. Foto: Erzdiözese Salzburg