Expertinnen: Digitale Transformation ist größte Herausforderung

SALZBURG (kap)/ Die digitale Transformation und die digitale Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche stellt die größte Herausforderung der Gegenwart dar und verunsichert Menschen nachhaltig: Darin zeigten sich die Psychologin Tuulia Ortner und die Medienethikerin Claudia Paganini einig, die beide am Mittwoch in Salzburg im Rahmen der "Salzburger Hochschulwochen" als Referentinnen auftraten. Das zunehmende Verschmelzen von digitaler und analoger Welt schaffe nicht nur neue Chancen, sondern auch neue Abhängigkeiten und Machtverhältnisse. Die Beherrschung dieser neuen Technologien und auch die geforderte hohe Medienkompetenz seien Kulturtechniken der Zukunft, die es bewusst zu erlernen gelte, unterstrich etwa Paganini.
Dabei gelte es, einen Kulturpessimismus zu vermeiden und stattdessen einen Diskurs darüber zu führen, wo die neuen technischen Möglichkeiten Chancen eröffneten und wo sie auf der anderen Seite den Menschen verwundbarer machen. "Jeder große technologische Umbruch bringt Unsicherheiten und Ungewissheit mit sich und verursacht Stress, da er in ungewohntes, neues Gebiet hinausführt", so Paganini. Mit diesem Stress steige das Level der Reizbarkeit, der Polarisierungen und letztlich der Verwundbarkeit. Auch wenn sich neue Kulturtechniken in der Regel in zehn bis fünfzehn Jahren etablieren und auch der Umgang mit ihnen selbstverständlich werde, bleibe ein Zeitfenster der Unsicherheit, das auch Populismen Tür und Tor öffne. "Da kann sehr viel schiefgehen."
Derzeit zeige sich dies u.a. mit der Fülle an Fake News und Hassrede, die durch die enorme digitale Beschleunigung kaum einzugrenzen seien. Dies könne durchaus in Gewalt in der analogen Welt zurückschlagen, insofern digitale Hassrede und via Social Media geäußerte Wut zu einer "Dehumanisierung des Gegners" beitrage, die "realer Gewalt Vorschub leisten kann", so Paganini.
Ortner: Ständige Verfügbarkeit erzeugt mentale Belastung
In einem Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen griff Tuulia Ortner das Phänomen aus psychologischer Sicht auf: Die "ständige Verfügbarkeit, permanente Kontrolle und die Verschiebung von sozialen Interaktionen in die digitale Welt haben das gesellschaftliche Leben verändert" und zugleich "mentale Belastungen" erhöht.
Wo die Social Media ständig nach Bildern des perfekten, gesunden und glückenden Lebens verlangten, erzeuge dies im Vergleich mit der eigenen Realität oft "Frustration und Erschöpfung". Hinzu kämen Ungewissheiten politischer, wirtschaftlicher und ökologischer Art, die das Gefühl von Überforderung und Belastung weiter steigerten. Dagegen gelte es, eine Kultur der Wertschätzung neu zu etablieren, riet die Psychologin. Dies mache nicht nur glücklicher, sondern wirke auch motivierend.
In ihrem Vortrag bei den "Salzburger Hochschulwochen", die noch bis 10. August unter dem Generalthema "Was uns leben lässt ... und was uns (vielleicht) vergfitet" stehen, sprach Ortner indes über Aspekte einer "guten" Führung von Menschen etwa im beruflichen Kontext. Schließlich habe die Art der Führung massiven Einfluss nicht nur auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern auch auf deren Leistungsfähigkeit und die Identifikation mit dem Unternehmen.
Studien würden dabei zeigen, dass insbesondere ein "transformationaler Führungsstil" - also ein Führungsstil, der Mitarbeitende durch Entwicklungschancen, Visionen und Ermächtigung zu eigenständigem Handeln motiviert - ein hohes Maß an Zufriedenheit hervorruft. Negativ wirke indes ein Führungsstil, der sich gar nicht einmische, einbringe und ein Team sich selbst überlasse. Auch der Führungsstil der "dienenden Führung" sei zielführend, führte Ortner aus. Darunter sei ein Führungsstil zu verstehen, bei dem den Anliegen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt werde und Empathie und Mitgefühl bestimmend seien. Bei all diesen Stilen gehe das individuelle Wohlbefinden im Übrigen auch mit gesteigerter Leistungsfähigkeit und Identifikation mit dem Unternehmen einher.