Dr. Roman Angulanza: Als Student beim Konzilsberater

SALZBURG (Dr. Roman Angulanza) / Im Rückblick erzählte Papst Benedikt jetzt: „Ich habe ihm einen Entwurf geschrieben, der hat ihm gefallen und er hat ihn genauso vorgetragen. Kurz darauf bestellte Johannes XXIII. Frings zu einer Audienz. Er fürchtete, dass man ihm jetzt Vorwürfe machen oder ihm sogar den Kardinalspurpur wieder entziehen könnte.“ Als sein Sekretär ihn für die Audienz ankleidete, sagte er ihm: „Vielleicht tragen Sie das Zeug ja zum letzten Mal.“ Dann geht er hinein, und Papst Johannes geht ihm entgegen, umarmt ihn und sagt: „Danke, Eminenz, Sie haben genau das gesagt, was ich sagen wollte, aber ich habe nicht die Worte dafür gefunden!“ Das war der Auftakt zu einer ergiebigen Zusammenarbeit Ratzingers mit dem Kölner Erzbischof, der dem zehnköpfigen Konzilspräsidium angehörte.
Mit dem Rad zu den Vorlesungen
Damals studierte ich bereits bei Ratzinger, erst in Bonn, dann in Münster. Dass er als offizieller Konzilsberater für Frings elf lateinische Reden geschrieben hatte, wurde erst kürzlich bekannt als sie in deutscher Übersetzung vorlagen. Vorher hat Ratzinger in seiner Bescheidenheit nichts davon verlauten lassen. Auch nicht, was er zum Konzil beigetragen hat durch seine Mitarbeit an den zwei großen Dokumenten zur Offenbarung und zur Kirche sowie zur Mission. All das liegt erst seit wenigen Monaten gedruckt vor. Er fuhr damals auf seinem alten Fahrrad, das wir ihm um 20 Mark ersteigert hatten, mit uns durch die Gegend. Zu Späßen war er gerne aufgelegt: Als er einmal einen österreichischen Baron erwartete, fragte er mich nach der passenden Anrede. „G’schamster Diener“, scherzte ich und er drängte mich, den Baron so zu begrüßen. Mit dem Rad ging’s auch in die Vorlesungen, wo ihn ein voller Hörsaal erwartete. Daran änderte sich auch nichts im „konfliktfreudigen“ Tübingen wie er selbst schreibt: „Ich habe nie Schwierigkeiten mit den Studenten gehabt, sondern in der Vorlesung immer zu einer großen Zahl aufmerksamer Studenten sprechen können.“ Nach den Vorlesungen verschwand er meist schnell, oft in eine Kirche, wo das Allerheiligste ausgesetzt war. Ein Zeuge erzählt: „Still kniete er nieder, er wurde klein und verweilte im Halbdunkel des Kirchenschiffs vor dem, der sein Licht war. Die Anbetung ist seine geheime Kraftquelle schon in jungen Jahren und sein Leben lang. Ohne das Gebet lässt sich weder Ratzingers Persönlichkeit noch seine Theologie verstehen.“
Auf Augenhöhe mit den Studierenden
Es war ungemein spannend zu erleben, wie er an die großen Glaubensthemen heranging und scheinbar mühelos schwierigste Zusammenhänge in einfacher, bildhafter Sprache vermitteln konnte. Er beantwortete jede Frage, die ihm gestellt wurde ohne professorale Überlegenheit und ohne jemand seine Meinung aufzudrängen. Es gab für ihn keine dummen Fragen, jeder fühlte sich von ihm ernst genommen. Das erlebten wir auch bei einem zweitägigen theologischen Kurs 1967 in Salzburg, an den er sich noch als Papst erinnerte: „Damals entstand meine Freundschaft zu Simon Dietmann“, in dessen Bad Hofgasteiner Pfarrhof er dann mehrere Urlaube verbrachte.
Theologie ist für ihn „der Versuch, den Geliebten immer besser kennen zu lernen“. Denn „Gott offenbart sich nicht der Neugier, sondern der Liebe – sie ist das Organ, das zu solchem Sehen und Vernehmen unerlässlich ist“. Im Mittelpunkt seines Lebens steht Christus, „in dem Gott sich selbst weggeschenkt hat in die Armseligkeit der menschlichen Geschichte hinein“ mit einer „Liebe, die nicht weniger geben kann als sich selbst“. Unsere Antwort darauf sei das Alleluja, vergleichbar dem alpenländischen Jodler: „Das wortlose Sich-Aussingen einer Freude, die keine Worte mehr braucht, weil sie über allen Worten steht.“
Bild: Überer aufmerksame Studenten durfte sich Joseph Ratzinger (2. v. r.) stets freuen. Im Bild ist er 1963 zu sehen – mit Roman Angulanza (r.) zu Gast bei Marianne Fiedler.