Am Ende steht das Verzeihen…

"Vergeben und bereuen": Christa Baich erzählt im aktuellen MOMENT über ihre Arbeit als Seelsorgerin im Raphael Hospiz der Barmherzigen Brüdern.
„Bedauern kreist um menschliche Beziehungen“
Am Ende des Lebens wünschen sich Betroffene Versöhnung. So auch Frau N. Sie weiß, dass sie bald sterben muss. Sie ist mit ihrem Sohn Armin zerstritten, seit mehr als 20 Jahren gab es keinen Kontakt mehr. Schwester Christa Baich, Seelsorgerin im Hospiz der Barmherzigen Brüder in Salzburg, hat zwischen Frau N. und Sohn Armin vermittelt – und die Versöhnung glückte: „Beide haben zutiefst bedauert, so viele Jahre sinnlos verloren zu haben“, erzählt Schwester Christa und weiß aus Erfahrung: „Fast alles Bedauern am Lebensende kreist um menschliche Beziehungen.“
Ungelöste Konflikte mit Angehörigen können Sterbende belasten, sich auszusöhnen erleichtert den Abschied für alle Beteiligten ungemein. „Es ist dann oft zweitrangig, wer vergibt und wer um Vergebung bittet: Wenn einer beginnt, dann bittet auch oft die andere Seite um Vergebung“, sagt Schwester Christa.
Was aber, wenn Versöhnung nicht gelingt? „Dann müssen die Angehörigen aufgefangen werden“ – Schwester Christa hilft gerne: mit Gesprächen, aber auch mit der Gestaltung von Ritualen und Abschiedsfeiern, wofür sie die Texte, Gebete und Lieder sorgfältig vorbereitet. Besonderes Einfühlungsvermögen ist dabei gefragt, betont die Seelsorgerin: „Wichtig ist es, seine Worte allgemein und verhalten zu formulieren, damit niemand das Gesicht verliert.“
Manchmal sind es aber auch „kleinere“ Beziehungsstörungen, die im Sterben präsent werden; Das Gefühl, der Liebe des anderen nicht gerecht geworden zu sein, zu viel gearbeitet zu haben, die falschen Prioritäten im Leben gesetzt zu haben – die Liste ist lang. Christa Baich unterstützt Sterbende dabei, auch in diesen Bereichen abschließen zu können. Ob es darum geht, Kontakte zu Angehörigen und Priestern herzustellen oder letzte Wünsche zu klären: „Wichtig ist es, Vertrauensbeziehungen aufzubauen und offen zu sein für oftmals sehr leise Signale.“ Es sind auch ganz praktische Arbeiten, in denen Schwester Christa dann mitanpackt: „Ich habe schon dabei geholfen Begräbnisse vorzubereiten, Materialien wie Lebensläufe zu erstellen – all das kann helfen, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihr Leben ‚aufgeräumt‘ zu hinterlassen.“
Abschied gestalten
Ordnung und gewohnte Strukturen spielen bis zum Schluss eine entscheidende Rolle: Die Betroffenen behalten gerne ihren eigenen Tagesrhythmus bei, freuen sich über ihre Lieblingsmusik, über ihr Lieblingsessen und über Besuch und Austausch mit Angehörigen. „Ab einem gewissen Punkt ist es für die Betroffenen wichtig zu wissen, dass sie gehen dürfen“, so Schwester Christa. Verabschiedungsrituale können hier unterstützen, diesen Punkt zu markieren. „Ihren Angehörigen noch einmal ihre Liebe auszudrücken, um Verzeihung zu bitten, sich zu verabschieden – diese Schritte entlasten die Sterbenden und auch die Angehörigen“. Auch das gemeinsame Gebet oder leises Psalmensingen am Bett des Sterbenden – wenn von den Betroffenen gewünscht – bringt in den letzten Lebensstunden Struktur, Würde und Ruhe. Das Begleiten des Sterbeprozesses an sich spielt sich dann oft sehr leise ab, so Schwester Christa. Wenn es Menschen gelingt, in Frieden und versöhnt zu gehen, kann das sehr schön sein: „Man kann den Frieden, der von so einem Menschen ausgeht, dann richtig spüren.“
Christa Baich ist Schwester in der Kongregation der Helferinnen, Seelsorgerin im Raphael Hospiz der Barmherzigen Brüdern in Salzburg, Geistliche- und Exerzitienbegleiterin und Personalreferentin der Salzburger Erzdiözese.
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MOMENT ist eine monatlich erscheinende Beilage der Tiroler Tageszeitung.