Wechsel in der Kanzlei der Erzdiözese Salzburg

SALZBURG (eds) / Die Ordensfrau Sr. Christine Nigg übernimmt mit 15. August das hohe kirchliche Amt von Elisabeth Kandler-Mayr. In einer gemeinsamen Standortbestimmung berichten beide, wie eine Ordinariatskanzlerin mit kirchenrechtlicher Expertise die Gestaltung des kirchlichen Lebens in der Erzdiözese unterstützen kann. Wobei für Elisabeth Kandler-Mayr stets zwei Dimensionen auschlaggebend waren: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Einem Amtsverständnis, dem sich Sr. Christine Nigg ebenfalls verpflichtet fühlt.
Alltag einer Kanzlerin
„Die Erzdiözese vertreten kann nur die Kanzlei der Kurie. Wir sind die oberste Verwaltungsbehörde. Das ist in etwa vergleichbar mit der Landesamtsdirektion“, erklärt Kandler-Mayr. Zu bearbeiten gebe es hier tagtäglich die Post, die an die Erzdiözese adressiert sei. Spezifische Anliegen, die zum Beispiel den Bereich Bauen betreffen, werden an die Finanzkammer oder die Immobilienstiftung weitergeleitet. Häufige Themen, die direkt das Ordinariat beschäftigen, seien Erlaubnisse für Trauungen inklusive Auslandstrauungen oder in den vergangenen Jahren vermehrt Anliegen zu Taufen. „Es kommt vor, dass Volksschulkinder, die getauft werden wollen, selbst das Ansuchen unterschreiben. Das ist natürlich berührend. Hier finden wir immer eine Lösung.“
In vielen Fragen gehe es um die Schnittstelle mit dem staatlichen Recht, so Kandler-Mayr. „Mein Sohn lacht immer, wenn ich sage, das Staatsgrundgesetz ist nach den zehn Geboten mein Zweitlieblingsgesetz. Das Staatsgrundgesetz brauchen wir unbedingt, da es alle Rechte garantiert, die wir im Leben nutzen – und eben auch die Rechte der Kirche in einem Staat.“ Wesentlich sei zudem die Verbindung mit dem Ordensrecht. „Da hat sich seit 2016 rechtlich für die kleinen Ordensgemeinschaften viel verändert.“ Wie Sr. Christine Nigg ergänzt, zähle zudem die Statutentätigkeit für kirchliche Vereine zu den Aufgaben einer Kanzlerin.
Fragen zur Nachlassführung oder rund um die Genealogie (Ahnenforschung) gehören ebenfalls zum umfangreichen Tätigkeitsfeld einer Kanzlerin. „Wir sind verpflichtet, dem Staat zu helfen. Das können Anfragen der Polizei sein oder der Clearingstelle der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt). Bei Menschen, die vor 1939 geboren sind, geht es dann um die Altmatriken. Und wir, die Kirchen, sind Matrikenführend. Standesämter gibt es bei uns erst seit 1938.“ Vor kurzem habe sie der Fall eines 97-Jährigen aus Kanada mit Wurzeln in Salzburg erreicht, der einen neuen Pass brauchte, aber keinen Geburts- oder Taufschein hatte, der notwendig war. „Da sind wir als Behörde tätig.“
Zweimal Pionierin
Elisabeth Kandler-Mayr war zwei Mal Pionierin. Einmal am Diözesangericht, nachdem 1983 mit dem neuen Codex auch Frauen die Mitarbeit ermöglicht wurde und später als Kanzlerin. „Ich habe mir gedacht, ich kann mir das ja einmal anschauen. Hat jemand ein Problem damit, mache ich es nicht zu meinem und ich lasse mich nicht unterkriegen. Wenn genau die Hälfte der Klienten Frauen sind, weil wir immer davon ausgehen, dass eine Ehe zwischen Frau und Mann ist, verstehe ich nicht, warum nur Männer entscheiden sollten.“ Sich daran zu gewöhnen, dass im dreiköpfigen Richterkollegium eine Frau dabei ist, sei nicht für alle leicht zu verdauen gewesen. „Heutzutage ist es ganz normal, dass jedes kirchliche Gericht Frauen hat. Ich glaube, manche haben befürchtet, dass ich sehr feministisch unterwegs bin, was Frauenrechte angeht. Für mich gelten Rechte für alle gleich. Ich will sie ordentlich angewendet wissen und nicht eine Gruppe bevorzugen und eine benachteiligen.“
Botschaft an Frauen
Als Kandler-Mayr im Jahr 2006 von Erzbischof Alois Kothgasser gefragt wurde, das Amt der Kanzlerin zu übernehmen, habe sie nach einem Tag Bedenkzeit zugesagt. Ihre Botschaft an Frauen in Leitungspositionen in der Kirche: „Wenn euch jemand etwas zutraut, dann traut euch bitte.“ Als weiteren Rat könne sie folgendes mitgeben. „Es ist wichtig, nicht ziellos durchs Leben zu stolpern. Aber wenn sich ein Weg auftut, der einem zusagt, dann würde ich stets sagen: Schaue es dir an.“
Ihr Weg als Kanzlerin habe, wie in der Coronapandemie, sehr herausfordernde Strecken beinhaltet, aber genauso einmalige und schöne Erlebnisse wie die Partnerschaft zu Irland, der Heimat des Heiligen Virgil. Kandler-Mayr nennt auch das Wirken als Heiligenpatin beim Offenen Himmel und das Verlesen der Bulle (Urkunde) bei der Amtseinführung von Erzbischof Franz Lackner. „Ich habe Papst Franziskus quasi meine Stimme geliehen.“ Sehr gefreut habe sie zuletzt die Aufwertung des Gedenkens an die Diözesanpatronin Erentrudis mit der Verleihung der ersten Erentrudis-Verdienstorden.
Kennerinnen der Erzdiözese
Eine Kanzlerin muss die Erzdiözese kennen. Das gehe nur mit ehrlichem Interesse für die Menschen und ihre Tätigkeiten. Da sind sich die beiden Kirchenrechtlerinnen einig. Elisabeth Kandler-Mayrs Erfahrung: „Das Zuhören ist entscheidend. Wer zuhört, findet auch Lösungen.“ Sr. Christine Nigg ergänzt: „Durch die Arbeit lernst du die verschiedenen Bereiche und alle Pfarren kennen. Irgendwie haben wir irgendwann mit allen einmal zu tun.“ Die gebürtige Tirolerin hat die besondere Beziehung zu Salzburg schon in ihrer Heimatpfarre Ebbs gespürt. „Mir war immer bewusst, wir gehören zu Salzburg. Die Stadt Salzburg war mir auch näher wie Innsbruck, obwohl es unsere Landeshauptstadt ist.“
Trockenes Kirchenrecht?
Das Verbindende zwischen der scheidenden und neuen Kanzlerin ist neben dem offenen Zugehen auf die Menschen, dem Verstehen von Strukturen, die „Liebe“ zum Kirchenrecht. Für beide ist es alles andere als eine „trockene Materie“. Kandler-Mayr betont: „Unsere Entscheidungen betreffen Lebensthemen von Menschen.“ Die Redewendung „Suum cuique“ („Jedem das Seine“) sei für sie zu einer wichtigen Richtschnur geworden. Es bedeute, den Menschen das zu geben, was sie brauchen. „Das beeinhaltet nicht, das Kirchenrecht zu beugen, sondern kreativ zu sein, Lösungen zu finden, die vernünftig sind und andere nicht verletzen.“ Sr. Christine Nigg sieht das ähnlich. „Für ein gelingendes Zusammenleben braucht es Regeln.“ Das Kirchenrecht sei für sie ein Rahmen, um Menschen zu helfen und zu dienen.
Überraschungsoffen
Für die Zukunft der Diözese wünscht sich Elisabeth Kandler-Mayr, „dass zwischen den vielen Personen, die hier arbeiten, ein gutes Miteinander besteht, im Wissen, dass alle das Beste wollen und ihren Teil dazu beitragen. Das wünsche ich Sr. Christine, der Diözese und der Dienstgeberin Kirche“. Die kirchliche Zukunft beschreibt sie mit einem Wort: Überraschungsoffen. Sr. Christine Nigg fügt ein zweites hinzu: Gottvertrauen. „Als Schwester habe ich mein Leben Gott geweiht und Gott übergeben und mein Leben in den Dienst Gottes gestellt. Für die folgenden Jahre wünsche ich mir, dass es gut und fruchtbar weitergeht, für die Kirche generell und im Speziellen für die Erzdiözese Salzburg.“
Oberste Urkundenverwaltende
Ein Kanzler oder eine Kanzlerin ist oberster Urkundenverwalter im Ordinariat, der Verwaltungszentrale einer Diözese. Das Amt ist mit einem Notar vergleichbar und im Kirchenrecht geregelt. Dr.iur. Lic.iur.can. Elisabeth Kandler-Mayr wurde 2006 zur Leiterin der Erzbischöflichen Ordinariatskanzlei bestellt. „Sie hat die Schritte unserer Diözese in entscheidenden Jahren mit höchster Kompetenz begleitet und ihre Aufgabe mit großer Ausgewogenheit und einem starken Sinn für Recht und Gerechtigkeit ausgeübt“, würdigt Erzbischof Franz Lackner ihr Wirken. Sr. Lic.iur.can. Mag.theol. Christine Nigg, Mitglied Gemeinschaft der Apostel der Heiligen Familie, arbeitet seit fünf Jahren in der Ordinariatskanzlei der Erzbischöflichen Kurie der Erzdiözese Salzburg. Mit 15. August ist sie neue Kanzlerin.
Foto: Erzbischof Franz Lackner dankt Elisabeth Kandler-Mayr (r.) und heißt Sr. Christine Nigg in ihrem neuen Amt willkommen.
Foto: Erzdiözese Salzburg (eds)/Hiwa Naghshi