Bischof Hermann Glettler: "An der Seite des Lebens stehen bis zuletzt!"

INNSBRUCK (kap) / "An der Seite des Lebens stehen bis zuletzt!" - Diese Haltung, die "hoffentlich auch in Zukunft von einem breiten gesellschaftlichen Konsens befürwortet und getragen wird", hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress hervorgehoben. Er zeigte sich anlässlich des medial groß angekündigten assistierten Suizids des Autors und Lehrers Nikolaus Glattauer besorgt über einen möglichen Paradigmenwechsel in Österreich.
Wenn das Sterben öffentlich zur Schau gestellt wird, bleibe Betroffenheit nicht aus, doch ebenso wenig die Frage, wo die mediale Grenzüberschreitung beginnt, so der Bischof. Faktum sei, "dass die persönliche Entscheidung eines Prominenten, mit dem Leben Schluss zu machen, in die Öffentlichkeit gestellt wurde". Doch mit welcher Absicht, fragte Glettler: "Ganz großes Unbehagen hat mich erfasst, weil ich der sympathischen Person gerne gesagt hätte, bitte mach es nicht! Es gibt so viele Menschen, die dich schätzen und noch gerne mit dir zusammen sein würden."
Wenn man bisher von einer nahestehenden Person gehört habe, dass ihr die Last des Lebens zu viel geworden ist, "dann haben wir doch alles in die Wege geleitet, um zu helfen - mit einem einfachen Dasein, Zuhören und schlichtweg einer Ermutigung, nicht aufzugeben", so der Bischof, der auch Referatsbischof für Lebensschutz in der Österreichischen Bischofskonferenz ist.
Nicht ohne Grund gebe es auch einen Welttag der Suizidprävention, der jedes Jahr am 10. September begangen wird, erinnerte Glettler, der vor der Unkultur warnte, die Auslöschung des eigenen Lebens als Tat größtmöglicher Freiheit zu preisen.
Wirklich hinterfragen wolle er die Darstellung, als ob es nur eine Form des würdevollen Sterbens gäbe - und alles andere nur ein erbärmliches Dahinsiechen sei, das selbstverständlich niemandem zu wünschen sei. Diese Darstellung verhöhne seines Erachtens letztlich die einschlägigen medizinischen und auf Pflege ausgerichteten Einrichtungen sowie alle Personen, die sich im familiären Umfeld um ein gutes Leben und gutes Abschiednehmen von ihren Angehörigen bemühen. Glettler: “Vor allem am Lebensende und bei schwerwiegenden Erkrankungen zeigt sich der Wert menschlicher Verbundenheit.”
Gute Hospiz- und Palliativversorgung
Es gebe in Österreich eine relativ gut zugängliche Hospiz- und Palliativversorgung - unabhängig vom sozialen Status und allen weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen. Ob in den stationären Einrichtungen oder in der mobilen Form, Hospize stünden für eine einfühlsame Betreuung, die die individuelle Situation eines schwer kranken Menschen ernst nimmt und ebenso achtsam die Angehörigen einbezieht. "Von vielen Begegnungen weiß ich, dass vor allem die positive Atmosphäre in den Hospizhäusern dafür ausschlaggebend ist, dass Menschen in würdevoller Weise ihr Leben zu Ende führen können", betonte der Bischof: "Die Hospizangebote auszubauen, ist ein Gebot der Stunde."
Er wolle auch dankbar erwähnen, dass es seit fast 60 Jahren österreichweit die Telefonseelsorge gibt. Menschen in existenziellen Krisen hätten damit ein rasches Gesprächsangebot zur Verfügung. Unzählige Personen hätten von dieser diskreten Soforthilfe bisher profitieren können. Darüber hinaus werde seitens der psychologischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Grundversorgung in Österreich viel getan, damit Menschen mit schweren Belastungen und depressiven Störungen wieder in eine lebensbejahende Haltung zurückfinden können.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at.)