Oshowski Andreas Ich bin anti-sozial…
Ein Spiegel unserer Zeit.
…hab ich vor kurzem auf einem Fahrzeug in großen weißen Lettern in Salzburg gelesen. Da ist es also schon wieder vorbei mit der Liebe zu den SalzburgerInnen (vgl. Impuls letzte Woche). Anti-sozial? A-sozial will der Fahrer offensichtlich nicht sein! Was soll dann antisozial bedeuten? Vielleicht soll es bedeuten: ‚Ich bin mit dieser Gesellschaft nicht einverstanden‘, vielleicht ‚ich habe Eure Solidarität nicht nötig‘ oder ‚ich bin leistungsstärker als der Rest‘? Ehrlich gesagt, glaube ich auch, dass ich reflexionsstärker bin, als der Slogan-Aufkleber. „In einer Streitkultur im Freud’schen Sinn wäre das Mischverhältnis zwischen Antagonismen stimmig. Aggressive Affekte fänden eine sozial verträgliche Form, ohne Differenz und lebendige Kraft der Widerrede dabei preiszugeben“1, schreibt die Berliner Philosophin Svenja Flasspöhler.
Ich, ja ich werde voll Zorn handeln. Mein Auge wird kein Mitleid zeigen und ich werde keine Schonung üben. Selbst wenn sie mir laut in die Ohren schreien, ich werde sie nicht hören.Die Bibel (Biblisches Buch Ezechiel, 8,18)
Schaltet Gott stumm? Oder sind wir von seinem Wort meilenweit entfernt, weil wir Glaube und Ethik in unserer Harmoniebedürftigkeit zu einer Friede-Freude-Eierkuchen-Religion degradiert haben? Dann wären ggf. wir anti-sozial, weil wir der Gesellschaft den provozierenden Diskursklebstoff des Religiösen entziehen…
Der Gedanke, der mich heute bewegt
„Wer mich ärgert, entscheide ich“2, hab ich vor kurzem noch gehört, aber bitte: lass Dich auch ärgern! Denn was mit Systemen geschieht, die nur das vermeintliche Eigene zulassen, ist soziologisch bekannt…
1 1 Svenja Flasspöhler, Streiten, Carl-Hanser-Verlag, München 2024, S.
2 Youtube-Interview, https://www.youtube.com/watch?v=QPwk1_oWfl8, abgerufen 11.11.2025
