Lackner: Ewigkeit ist „tragender Grund verantworteter Endlichkeit“

SALZBURG (eds) / „Die Ewigkeit ist der tragende Grund verantworteter Endlichkeit“: Das betonte der Salzburger Erzbischof Franz Lackner in seinem am Montagnachmittag gehaltenen Grußwort zu den dreitägigen „Disputationes“ zum Thema Ewigkeit. Im Rahmen der Salzburger Festspiele reagierte er auf die Scheu vieler Menschen, „sich eine aus Vergangenheit, Gegenwart und offener Zukunft erwachsende Ewigkeit“ vorzustellen. Eine Ewigkeit, vorgestellt als Verlängerung der Jetztzeit, habe etwas Bedrohliches. „Ewigkeit anzudenken darf aber nicht auf dem Weg der bloßen Verlängerung des Gegenwärtigen geschehen.“ Das Verständnis von Ewigkeit, die „gewissermaßen im rechten Winkel zur Zeit steht“, wie etwa in der griechischen Sprachform der liturgischen Erlösungsbitte, könne eine „fünfte Dimension“ genannt werden.
Heuer sind die „Ouverture Spirituelle“ wie die bis Mittwochabend dauernden „Disputationes“ dem Ewigen Licht, „Lux aeterna“, gewidmet. Festspielintendant Markus Hinterhäuser würdigte diese „Räume der Reflexion“ über existenzielle Fragen in seiner Begrüßung als „das, was die Salzburger Festspiele ganz besonders ausmacht“: Sie machen nachdenklich und berühren „wesentliche Dinge des Menschseins“. Zum Auftakt sprachen aus theologischer, medizinischer und literarischer Sicht der Fundamentaltheologe und Leiter der Salzburger Hochschulwochen, Martin Dürnberger, der niederösterreichische Arzt und Schriftsteller Günther Loewit sowie der Vorarlberger Schriftsteller Robert Schneider über Zeitkonzepte und die Sehnsucht, ewig zu leben. Unter den Teilnehmenden des Symposions in der SalzburgKulisse waren u. a. Erzabt Korbinian Birnbacher, Äbtissin emerita Perpetua Hilgenberg, Hanna Feingold und ihr Nachfolger im Amt, der Präsident der Israeltischen Kultusgemeinde Salzburg Elie Rosen.
„Den Mühen des Alltags enthoben“
Bei der „Ouverture Spirituelle“ werde das Denken gefeiert und Begegnung ermöglicht, erinnerte Martin Dürnberger zu Beginn seines Impulses an die Vielfalt dieser Veranstaltungen. „In der Kunst sind wir den Mühen des Alltags enthoben. Genau in diesem Sonderbezirk der Existenz des Lebens spüren wir diesen Hauch von Ewigkeit“, führte der Assoziierter Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg und Leiter der Salzburger Hochschulwochen, am Ende einer Zeitreise ins 20. Jahrhundert aus. In seinem Impulsreferat zum Thema „Sich ausstrecken nach Unendlichkeit“ sprach Dürnberger über „die Endlichkeit des Menschen und die Zeitlosigkeit Gottes“. So überzeugend die Vorstellung einer zeitlos gedachten Gottesvorstellung habe im 20. Jahrhundert viele Fragen aufgeworfen, die noch nicht beantwortet worden seien.
Für den niederösterreichischen Arzt und Schriftsteller Günther Loewit ist die Ewigkeit „eine große menschliche Sehnsucht“. Er plädierte dafür, in der Gegenwart so zu leben, dass die Sehnsucht nach ewigem Leben gar nicht erst auftauche. Seinen Schwerpunkt legte er auf die „Sehnsucht Unsterblichkeit“ und sprach über „das ewige Leben im Spannungsfeld von Religion und Medizin“.
Der Vorarlberger Schriftsteller Robert Schneider bekannte in seinem Vortrag: „Ich, Verschwender, habe Zeit!“ Aus der krisenhaften Erfahrung heraus, dass ein Buch schlechte Kritik bekam und die Zeit am Büchermarkt auch schon einmal besser war, sei er gezwungen worden, „Zeit zu verschwenden“. Doch es sei keine Schande, vergessen zu sein. „Ich bin im Jetzt, weil nichts bleiben muss“, so die Überzeugung des bekannten Autors. Schneider las aus seinem kürzlich erschienen Werk „Buch ohne Bedeutung“ Geschichten, die unterschiedliche Perspektiven auf das „Zeit haben“ warfen und auf die Frage, wie die eigene Endlichkeit wahrgenommen wird, etwa von einer Schneeflocke.
Traditionsreicher interdisziplinärer Diskurs
Die „Disputationes“ gehören inzwischen zum fixen Bestandteil der „Ouverture Spirituelle“, der Auftaktwoche der Salzburger Festspiele. Beim dreitägigen Symposion wird eine wissenschaftliche, interdisziplinäre Ausleuchtung des jeweiligen Themas der „Ouverture Spirituelle“ vorgenommen. Das dreitägige Symposion (24. bis 26. Juli) geht diesem Thema im programmatischen Dreischritt „Ewigkeit“ (24. Juli), „Jenseits“ mit Jan Rohls, Ariadne von Schirach und Seelawansa Wijayarajapura (25. Juli) und „Licht“ mit Walter Gutdeutsch, Franz Kerschbaum und Ina Schmied-Knittel (26. Juli) nach. Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Kunst und Kultur halten dabei zunächst Impulsreferate, bevor sie miteinander in einem Podiumsgespräch die Themen vertiefen.
Seit ihrer Gründung 2012 sprachen bei den „Disputationes“ bereits mehr als 90 renommierte Vertreter der großen Weltreligionen sowie Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft über die Wirkung von Kultur und Religion auf den Menschen – über spirituelle Momente in der Kunst, über Gemeinsames und Trennendes in Musik und Mystik unterschiedlicher Glaubensrichtungen sowie über die großen Fragen der Menschheit nach Herkunft und Endlichkeit. Ein jährlich produzierter Sammelband bündelt Vorträge und Diskussionsbeiträge der jeweiligen „Disputationes“. (Info: www.disputationes.at)