Festakt in Salzburg im Zeichen von 60 Jahre Nostra Aetate

SALZBURG (eds) / Die „Kommission Weltreligionen“ der Österreichischen Bischofskonferenz und die Erzdiözese Salzburg luden am Montagabend zum Festakt „Mit Hochachtung und Respekt…“ anlässlich 60 Jahre interreligiösem Dialog seit der Konzilserklärung Nostra Aetate ins den Kardinal-Schwarzenberg-Haus nach Salzburg ein. Die Worte des Papstes zum Dialog Ende Oktober klingen nach. Gregor Maria Hoff, Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg, erzählte von der beeindruckenden internationalen Veranstaltung im Vatikan am 28. Oktober anlässlich 60 Jahre Nostra Aetate. Er zitierte Papst Leo XIV.: „Dialog ist weder eine Taktik noch ein Werkzeug, sondern eine Lebensweise – eine Reise des Herzens, die alle Beteiligten verändert, sowohl den Zuhörer als auch den Sprecher.“ Hoff schloss mit den Worten: „insofern kann ich aus Rom eine echte Ermutigung mitbringen: Dialog immer wieder neu“.
Unter den Teilnehmenden in Salzburg waren: Rama Mahli (Hindu Gemeinde Salzburg), Hanna Feingold (Mitglied der IKG Salzburg), Erika Erber (Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft), Ümit Vural (Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich), Gursimran Kaur (Sikh Gemeinde), Florian Welzig (Bundeskanzleramt Sektion II – Integration, Kultusamt und Volksgruppen), Dietmar W. Winkler (Dekan Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Salzburg sowie Professor für Patristik und Kirchengeschichte), Mitglieder des Konsistoriums und Mitarbeitende der Erzdiözese Salzburg, Mitglieder der Kommission Weltreligionen, unter anderem Geschäftsführender Vorsitzender des Referats und Vertreter der Diözese Graz-Seckau Markus Ladstätter.
Wesentliche Teile der Erklärung
Weihbischof Hansjörg Hofer wünschte einen interessanten, gesegneten Abend und verlas die Grußworte von Erzbischof Franz Lackner in dessen Abwesenheit. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz verwies auf die Gleichzeitigkeit der beiden Jubiläen 1700 Jahre Glaubensbekenntnis von Nizäa und Nostra Aetate durch das Zweite Vatikanische Konzil vor 60 Jahren. Dem Bekenntnis von Nizäa „sind wir nach wie vor verpflichtet“. Nostra Aetate „richtete erstmals den Blick auf das Verhältnis zu den Religionen der Welt – zu jenen, die der Kirche im Glauben an den einen, allmächtigen Gott nahe sind, und jenen, die sich dem Transzendenten auf anderen Spuren nähern.“ Er zitierte aus dieser Erklärung: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.“ (Nostra Aetate 2)
Einen besonderen Stellenwert nehmen darin die jüdische und die islamische Religion ein, betonte er. Sie sind „Vorläufer und Nachfolger des christlichen Glaubens“. „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten“, zitierte er aus dem Dokument. „Der Islam bekennt Jesus nicht als Gott, als eins mit dem Vater im Heiligen Geist, jedoch als Prophet, dessen jungfräulicher Mutter Ehre gebührt, und der am Tag des Gerichts der gerechte Richter sein wird“, erklärte er. Gegenüber dem Judentum wiederum, aus dem Jesus dem Fleische nach stammte, so wie die Apostel und die meisten der Jüngerschar, haben die Konzilsväter erstmals und in aller Deutlichkeit festgehalten, dass Gottes Gnadengaben und Berufung „unwiderruflich“ seien. „Sie beklagte klar und deutlich das Gräuel des Antisemitismus in all seinen Formen – eine Klage, die auch wir heute Lebenden immer wieder bekräftigen. Ein Angriff auf das Judentum ist ein Angriff auf den Ursprungsort unseres Glaubens, und damit auf die Kirche.“
Weiters zitierte er aus Nostra Aetate: „Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern. So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bezüglich der Menschenwürde und der daraus fließenden Rechte einen Unterschied macht.“ – Diese Schlussgedanken zur universalen Brüderlichkeit runden Nostra Aetate ab, „nicht allein als Bekenntnis zum Umgang der Kirche im Umgang mit anderen Religionen, sondern zum geschwisterlichen Miteinander aller Menschen, Gläubiger und Nicht-Gläubiger, im Angesicht des menschenfreundlichen Gottes, der uns nachgeht, der bei uns sein will, und der uns den Frieden verheißt“, schloss Erzbischof Lackner mit Grüßen an „alle heute hier in diesem Geiste versammelten“ und wünschte einen „informativen und gedeihlichen Austausch“.
Österreichische Beiträge zur Entstehungsgeschichte
Dietmar W. Winkler, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg sowie Professor für Patristik und Kirchengeschichte, erzählte von seiner Forschung im Kardinal König Archiv. Zur Entstehung von Nostra Aetate erzählte er: „Religionen haben es an sich, dass sie den Absolutheitsanspruch stellen. Die Katholische Kirche ist vom eigenen Absolutheitsanspruch weggegangen, aber nicht vom Wahrheitsanspruch.“ Sie hat auch anderen Religionen die Möglichkeit des Heils zugesprochen. Ursprünglich sei eine „Judenerklärung“ angedacht gewesen. Aus mehreren Gründen wurde am Ende verabschiedete Erklärung jedoch auf mehrere Religionen ausgedehnt.
Schauspieler Franz Strasser, ORF-Religionsjournalist Andreas Mittendorfer, Stefan Schlager von der Caritas Oberösterreich und Gerda Willam von der Katholischen Frauengemeinschaft der Frohbotinnen brachten Beiträge aus Österreich zur Entstehung von Nostra Aetate vor. Einer davon war Johannes Österreicher: Es sei nicht bloß ein zeitgenössisches oder politisches Dokument. „Sie ist zutiefst theologisch.“ Ein anderer war der Feldkircher Jesuit P. Josef Neuner, der betonte: „Wir bewegen uns auf einem Gebiet, das theologisches Neuland bedeutet.“ Zudem wurde auf Konzilszeugen Kardinal Franz König verwiesen.
Interreligiöser Dialog heute – Perspektiven aus den Religionen
Weitere Vertreterinnen und Vertreter der im Dokument genannten Religionen brachten vielfältige Perspektiven aus dem Religionsdialog aus dem katholischen Christentum, dem Judentum, dem Islam, dem Buddhismus ein. Zudem erzählten sie von Perspektiven auf das Dokument.
Hanna Feingold (Judentum) schätzt, „dass es erst seit etwa 30 Jahren zu einem Dialog kommt“, der auch in der Bevölkerung ankommt. „Jede Vereinbarung ist immer so gut, wie die Menschen, die sich damit beschäftigen.“ Der Weg sei von den Anfängen im jüdisch-christlichen Dialog, bis zum aktuellen interreligiösen Dialog gegangen. Im derzeitigen Dialog auf Ebene der religiösen Vertreterinnen und Vertreter begrüße man sich mit Bruder und Schwester.
Für Kurt Krammer (Buddhistische Religionsgesellschaft Salzburg) sind Begriffe wie „Menschheitsfamilie“ wesentlich. Er schätzt den persönlichen Austausch. Ihm fehlt die fünfte Ebene des Dialogs, wo Bildung geschieht – „es würde viele Möglichkeiten geben, den Dialog in die Schulen zu tragen“.
Ahmet Ayne (IGGÖ Vorarlberg) habe die drei Werte Respekt, Wertschätzung und Dialog von der Erklärung Nostra Aetate gelernt. Sie erinnern ihn an die Werte, die auch im Koran zu lesen sind. Er erzählte von respektvollem Religionsdialog in der Moschee in Medhina. „Wenn man die positiven Zeiten des Religionsdialogs sieht, kann man daraus für heute und die Zukunft lernen.“ Eine der größten Herausforderungen sei, möglichst viele Menschen zu erreichen. Wenn aus Politik und Medien negative Beiträge veröffentlicht werden, „fängt man häufig wieder von vorne an“. Seine Zukunftsvision ist, „dass die genannten Werte in allen Bereichen des Lebens gelebt werden“.
Für Martin Brait (Katholische Kirche Oberösterreich) ist das Wichtigste dieser Erklärung, dass die Katholische Kirche auch anderen Religionen die Möglichkeit des Heils zugesprochen hat. Gelungene Beispiele seien etwa ein gemeinsames Gebet am Schärdinger Stadtplatz jährlich am Nationalfeiertag, gestartet im Jahr 2015. „Nach außen zeichenhaft zu zeigen, wir stellen das Miteinander in den Mittelpunkt, hat sich als wichtig herausgestellt.“ Er wünscht sich mehr Interesse für die anderen Religionen und auf der großen politischen Ebene mehr Zusammenarbeit zwischen den Spitzenvertretungen der Religionen, vor allem im Bereich der Klimakrise und der Schöpfungsverantwortung.
Weitere Grußworte – gereiht nach dem Alter der Religionen
Für Rama Mahli (Hindu Gemeinde Salzburg) ist Nostra Aetate nicht nur ein Wort. „Jede Religion hat einen Wert. Jede Religion hat etwas Gutes. Wir sind alle Kinder vom selben Gott.“
Hanna Feingold (Mitglied der IKG Salzburg): Ihr größter Wunsch an alle ist, dass man in wenigen Jahren so offen in Synagogen gehen kann, wie in den Dom.
Erika Erber (Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft): „Wir freuen uns, dass dieser Meilenstein damals gelungen ist. Wir sehen auch, dass es schwierig ist. Wir können uns freuen, dass es in Österreich eine so einzigartige Kultur des Dialogs gibt“, zeigte sie sich dankbar.
Ümit Vural (Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich) verwies dankbar auf den bedeutungsvollen Titel dieses Abends „Mit Hochachtung und Respekt…“ Diese Erklärung habe vor allem die Grundlage für einen „achtbaren und respektvollen“ Dialog geschaffen. „Für uns Muslime war und ist Nostra Aetate ein Meilenstein“, der daran erinnere, dass Christinnen und Christen für die gemeinsame Menschheitsfamilie verantwortlich sind. Er verwies auf das gemeinsame christlich-muslimische Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen von Abu Dhabi im Jahr 2019 als Fortsetzung. „Gleichzeitig sind wir uns der Herausforderungen bewusst“, es könne nur eine gemeinsame Antwort auf Hass und Ausgrenzung geben.
Gursimran Kaur (Sikh Gemeinde): „Das Verwerfen des Absolutheitsanspruchs ist nichts Geringeres als eine Revolution.“ Es sei essenziell, diese Bemühungen weiter voranzubringen.
Florian Welzig (Bundeskanzleramt Sektion II – Integration, Kultusamt und Volksgruppen): Nostra Aetate sollte man in kleinen Stückchen auf Social Media verbreiten, betonte Welzig, der Grüße der Kultusministerin überbrachte. „Dialog ist kein Seid-lieb-zueinander“, sondern viel mehr. Das kooperative Verhältnis zwischen Staat und Religionen sei nicht hoch genug zu schätzen, etwa bei großen Feiern. Die Basis des Dialogs seien gute gesetzliche Rahmenbedingungen, wie sie in Österreich für alle Religionen gleichermaßen gelten, verwies er unter anderem auf die Religionsfreiheit.
Markus Ladstätter überbrachte einen herzlichen Gruß des Katholischen Referatsbischofs Werner Freistetter, der aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein konnte. Ein Dank gelte allen, die sich beim Zweiten Vatikanischen Konzil im Sinne von Nostra Aetate durchgesetzt haben. Ein weiterer Dank gelte allen, die den Dialog bis heute weitertragen. In der gegenseitigen Anerkennung trotz Unterschiede liege der große Wert von Nostra Aetate und des Dialogs.
Information und Vernetzung
Die Katholische Kirche hat ihre Haltung zu den nicht-christlichen Religionen und ihren Gläubigen in der Erklärung „Nostra Aetate“ auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) beschrieben und in den Kirchen vor Ort in weiteren Dokumenten Hinweise und Aufträge für den interreligiösen Dialog gegeben. Durch die große religiöse Vielfalt in der österreichischen Bevölkerung werden die Religionsgemeinschaften zu wichtigen zivilgesellschaftlichen Dialogpartnerinnen, auch für den Staat. Diese Dimension des Zusammenlebens ist in Österreich in konstruktiver Weise geregelt und ermöglicht eine gute Kooperation zum Wohl der hier lebenden Menschen.
Die „Kommission Weltreligionen“ der Österreichischen Bischofskonferenz berät den zuständigen Bischof und die Österreichische Bischofskonferenz, zeigt Handlungsbedarf auf, unterbreitet Vorschläge, steht den Einrichtungen, die auf der diözesanen Ebene im interreligiösen Bereich tätig sind, für Information und Vernetzung der Tätigkeiten zur Verfügung und pflegt Kontakt zu Einrichtungen, welche die Verständigung zwischen den Religionen zum Ziel haben. Unter der Leitung eines Referatsbischofs Werner Freistetter umfasst die Kommission Delegierte der neun Diözesen und des Militärordinariats sowie zehn weitere Personen, die im beruflichen Kontext für den interreligiösen Dialog langjährig engagiert sind.
Die nächste jährlich stattfindende Tagung der „Kommission Weltreligionen“ der Österreichischen Bischofskonferenz und St. Virgil Salzburg in Kooperation mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein, der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum Graz und dem Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen der Universität Salzburg ist für 22. April 2026 zum Thema Religionen und Frieden geplant. (Infos: www.kommissionweltreligionen.at)
Foto: Referentinnen und Referenten, v.l.n.r.: Ahmet Ayne (IGGÖ Vorarlberg), Florian Welzig (Bundeskanzleramt), Martin Brait (Katholische Kirche Oberösterreich), Rama Mahli (Hindu Gemeinde Salzburg), Ümit Vural (IGGÖ), Markus Ladstätter (Kommission Weltreligionen), Weihbischof Hansjörg Hofer (Erzdiözese Salzburg), Hanna Feingold (Mitglied der IKG Salzburg), Kurt Krammer (Buddhistische Religionsgesellschaft Salzburg), Erika Erber (Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft), Gursimran Kaur (Sikh Gemeinde). Foto: Erzdiözese Salzburg (eds)/Michaela Greil