Dr. Roman Angulanza: Mein Lehrer wird Papst

SALZBURG (Dr. Roman Angulanza) / Zwei Jahre später wird er Papst, nicht die Tiara in seinem Wappen – Zeichen der Macht –, sondern den Bären des hl. Korbinian mit dem Packsattel am Rücken: „Er ermutigt mich immer neu, meinen Dienst mit Freude und Zuversicht zu tun und Tag für Tag mein Ja zu Gott sagen: Ein Lasttier bin ich für dich geworden, doch gerade so bin ich immer bei dir.“ „Wie wird er jetzt sein?“, fragten wir uns im Schülerkreis als wir erstmals wieder in Castel Gandolfo mit ihm zusammenkamen. „Wie begrüßen wir ihn, wo er doch den Ringkuss abgeschafft hat?“ Ganz in Weiß trat er ein. Einer meiner Kollegen beugte sich tief und wollte einen Ringkuss andeuten. Der Papst zog ihn hoch: „Bleiben wir normal Herr P.“ Es war alles „normal“ und herzlich – auch in öffentlichen Audienzen: Immer umfasste er mit beiden Händen die Hand seines Gegenüber. In der jubelnden Menge vermied er herkömmliche Segensgesten: Zunehmend freier streckte er seine Arme weit aus, öffnete seine Hände, mit den Fingern ein leichtes Winken andeutend.
Von den Medien gelegentlich verkannt
Aus seinen spannenden Erzählungen der letzten acht Jahre bringe ich hier nur zwei Erinnerungssplitter: Afrika 2009 hat sich tief in seine Erinnerung eingeprägt: Gottesdienste als wirkliche Feste des Glaubens – eine große gemeinsame Freude, die sich auch körperlich ausdrückte, von der Anwesenheit des lebendigen Gottes geformt. Eröffnung der Afrika-Synode – Begegnung mit den Schwestern von Mutter Teresa, die sich um die verstoßenen, armen und leidenden Kinder mühen. – Kirchliche Institutionen, die so viele Aidskranke behandeln wie niemand sonst – Erinnerung an Kardinal Léger, der sein Bischofsamt zurückgelegt hat, um immer bei den Armen zu sein. Mit leichtem Schmunzeln fügte Benedikt XVI. hinzu: „Wenn man allerdings die deutschen Zeitungen aufschlug, konnte man meinen, ich sei nur im Flugzeug gewesen und habe über Kondome gesprochen.“ Der Weltjugendtag in Madrid war für ihn eine „Medizin gegen die Müdigkeit des Glaubens: Wir alle sind berührt von Jesus Christus, in dem uns das wahre Menschsein und zugleich das Gesicht Gottes selbst erschienen ist.“ 20.000 junge Menschen arbeiteten als Freiwillige. Zwei Millionen waren mitten in einem Gewitter bei der nächtlichen Anbetung: Für sie ist Gott nicht irgendeine Hypothese über den Ursprung des Alls. Er ist da. Der Glaube macht von innen her froh. Das ist eine der wunderbaren Erfahrungen der Weltjugendtage, diese durchgehende Freude. Nur der Glaube macht mich gewiss: Es ist gut, dass ich bin. Ich bin gewollt. Ich habe einen Auftrag in der Geschichte. – Im Fernsehen waren vor allem die 1.000 Protestierenden im Bild. Er hat daran keinen Anstoß genommen, wie auch sonst: In all den vielen Begegnungen mit meinem Lehrer hat er nie ein böses Wort über jemand gesagt, auch nicht über seine ärgsten Kritiker. Er hat den Menschen vertraut und ist jedem mit Sympathie begegnet.
Die Frage nach Gott …
Jedes Schülertreffen hatte ein Schwerpunktthema mit renommierten Referenten, vom Papst selbst souverän moderiert, mit völliger Freiheit der Meinungsäußerung. Es ging immer darum, zentrale Glaubensinhalte neu zu verstehen: „Christi Auferstehung ist der absolut entscheidendste Sprung in ganz Neues hinein.“ „Der Himmel ist kein Ort über den Sternen, er ist etwas viel Kühneres und Größeres: Das Platzhaben des Menschen in Gott.“
Die Frage nach Gott in unserer Welt wach zu halten und sie glaubwürdig zu beantworten“,ist Benedikts dringlichstes Anliegen: „Wir können du zu ihm sagen, mit ihm reden. Er hört auf uns, und wenn wir aufmerksam sind, hören wir auch, dass er Antworten gibt.“ Und immer wieder spricht er auf neue Weise von der Liebe, mit der Gott uns beschenkt hat, um von uns weitergegeben zu werden. Er geht leise: „Ich stehe vor der letzten Wegstrecke meines Lebens und weiß nicht, was mir verhängt sein wird. Aber ich weiß, dass das Licht Gottes da ist, dass er auferstanden ist, dass sein Licht stärker ist als alles Dunkel.“ Einfach sind auch seine letzten Worte als Papst: „Gute Nacht – danke.“
Bild: In gastlicher Runde mit Mutter Vavrovsky, Erzbischof Kothgasser und Haushälterin Rita (v.l.) 2004 zu Hause bei Domdechant Hans Walter Vavrovsky, der auch dem Schülerkreis angehört.