Evangelienkommentar Selig, die Frieden stiften… (Mt 5, 1–12a)
(rb–29.1.2023) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Mag. Herwig Ortner, Direktor vom Tagungshaus Wörgl.
Selig, die Frieden stiften…
Das Kirchenjahr hat gerade begonnen und schon begegnet uns einer der wichtigsten Texte des Evangeliums. Die Bergpredigt ist eine Art Zusammenfassung dessen, was Jesus der Welt verkündigen will, hier geht es um die Quintessenz seiner Botschaft.
Gerne erinnere ich mich an Mitte August 1990, als wir mit einer kleinen Pilgergruppe, bestehend aus Theologie-Studierenden, am Berg der Seligpreisungen unweit des Sees Genezareth diesen Text gelesen haben. Es war ein wunderbarer Tag, wir hatten die Woche davor in Jerusalem verbracht und schon dort unzählige Eindrücke gesammelt. Aber es war kein „normaler“ Sommer in Israel. Denn eine Woche, bevor wir ins Heilige Land aufgebrochen waren, hatte der Irak unter Saddam Hussein das kleine Nachbarland Kuwait überfallen. Und der irakische Diktator hatte mit Verwünschungen gegen den Erzfeind Israel klargemacht, dass sich niemand in der Region in Sicherheit wiegen sollte…
Kein Mensch wusste, wie sich die Lage in der gesamten Region entwickeln würde, große Nervosität war aber auf jeden Fall zu merken: noch mehr Militär als ohnehin schon, noch mehr Kampfjets in der Luft, auch über dem Norden Israels, über dem Berg der Seligpreisungen.
Wir sitzen – unter dem Eindruck eines heraufziehenden Krieges - in einer grünen Wiese mit Blick auf den großen blauen See, die Sonne wärmt und ein leichter Wind erinnert an die Anwesenheit des Heiligen Geistes.
Wir lesen an diesem Nachmittag die Bergpredigt und merken, wie aktuell sie eigentlich immer ist. Das Lob derer, die Frieden stiften, die zärtliche Ansprache jener, die trauern, die Wertschätzung der Sanftmütigen, die Hoffnungssignale für jene, die nach Gerechtigkeit dürsten. Überall auf der Welt und zu jeder Zeit.
Ich werde diese Stunden im August 1990 – in einer der konfliktträchtigsten Regionen und gleichzeitig einem der religionsgeschichtlich wichtigsten Plätze der Welt – nie vergessen, sie lösen nach wie vor eine Sehnsucht aus, nach diesem Ort, nach dieser Stimmung, vor allem aber nach dieser Botschaft. Es ist gut, dass sie am Anfang des Kirchenjahres steht und den Weg weist.
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 4/2023) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.