Evangelienkommentar Hochfest der Geburt des Herrn (Joh 1, 1–5.9–14)
(rb–25.12.2022) / Der Kommentar zum heutigen Evangelium kommt von Alexandra Hogan, Theologin und Rupertusblatt-Redakteurin.
Eine Revolution der anderen Art
Das Volk Israel muss zur Zeit Jesu ernüchtert und frustriert gewesen sein. Nach der Knechtschaft in Ägypten und dem Babylonischen Exil darf das Volk Gottes wieder im verheißenen Land sein – nun allerdings schon wieder geknechtet.
Nicht Freiheit, sondern die Besetzung durch die Römer erleben die Israelitinnen und Israeliten. Sie setzen ihre Hoffnung auf den Messias. Er soll sie aus ihren Fesseln befreien, einen politischen Umsturz herbeiführen und mit Macht herrschen. Das Volk erwartet die Ankunft des Ersehnten mit Pauken und Trompeten.
Doch als die Zeit gekommen ist, macht der Messias sich ganz anders auf den Weg. Ganz leise und unscheinbar kommt er. „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,
kam in die Welt“, lesen wir im Johannes-Evangelium.
Gott wird Mensch, macht sich ganz klein und verletzlich, drängt sich nicht auf. Um Politik geht es Jesus nicht. Er ist nicht da, um zu herrschen wie ein irdischer Regent. Christus bringt eine Botschaft, die über das Irdische hinausgeht.
Das Neue Testament gibt Zeugnis davon ab, dass viele seiner Zeitgenossen Anstoß an dem Zimmermann Jesus von Nazareth nehmen. In ihren Augen erfüllt er die großen Erwartungen nicht, die an den Messias gesellt werden.
Jene aber, die ihn als Menschensohn erkannt haben, sehen: Seine Botschaft ist so viel größer. Ihm geht es wirklich darum, das Licht in der Finsternis der Welt zu sein. Den Trauernden, den Armen, den Hungernden bringt er Hoffnung – und wenn wir ehrlich sind: Wer von uns gehört nicht in zumindest eine dieser Kategorien?
Christus stößt keine politische Revolution an, sondern eine Revolution der Herzen, eine Revolution der Barmherzigkeit. So wie er sich als kleines Kind verletzlich gemacht hat, dürfen auch wir verletzlich sein und unsere Mauern niederreißen.
Weihnachten zeigt uns, wie wir als Christinnen und Christen leben sollen. Als seine Lehrlinge sollen wir es dem Meis-ter gleich tun: ein Licht in der Welt sein, Trost spenden, nicht nach irdischem Reichtum streben, sondern um den Reichtum der Seele ringen.rupertusblatt@eds.at
Dieser Text ist im Rupertusblatt (Nr. 51/52 2022) erschienen. >>> Hier können Sie unsere Wochenzeitung abonnieren.